Zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit wird Kalifornien von extremer Hitze mit Temperaturen um die 50 Grad überrollt, verbunden wiederum mit katastrophalen, mehrere hundert Quadratkilometer umfassenden Bränden. Und landeinwärts, etwa im Bundesstaat Utah, herrschen extreme Hitze und Trockenheit, die den berühmten Großen Salzsee fast ausgetrocknet haben und die Landwirtschaft ruinieren. Auch wenn solche großflächigen, aber doch scheinbar regionalen Ereignisse kurzfristig mediale Aufmerksamkeit erfahren, beschäftigen uns in Westeuropa, also ebenfalls großflächig-regional, auf den ersten Blick ganz andere extreme Wetterereignisse: Starkregen, Hagelschläge und Stürme, ja sogar Tornados. So verschieden die Extremwetterlagen sind – sie verweisen doch auf dieselben Ursachen, sind die zwei Seiten einer Medaille: die Abschwächung des Jetstreams, der unter anderem für den Wechsel von Hoch- und Tiefdrucklagen sorgt. Vielleicht müsste man schon sagen: bisher für diesen Wechsel gesorgt hatte. Denn in den letzten Jahren ist es auffallend häufig über mehrere Wochen zu einer starken Abschwächung, fast zu einem Stillstand dieser Starkwindbänder gekommen, weil durch den Klimawandel die Temperaturunterschiede zwischen den arktischen Regionen und der Äquatorregion und damit die Ausgleichsprozesse zwischen warmen und kalten Regionen geringer geworden sind. Und nicht nur die Dynamik des Jetstreams hat sich verändert, sondern aus den gleichen Ursachen heraus auch die Dynamik des Golfstroms.
Finden solche "großen" Ereignisse wie in Kalifornien immerhin noch über mehrere Tage mediale Aufmerksamkeit, gehen andere, ebenfalls in den kausalen Zusammenhang des Klimawandels fallende Meldungen fast unter: Dass nämlich in Westeuropa zunehmend mehr Bäche und kleine Flüsse im Sommer kaum noch Wasser führen, ja sogar ganz trocken fallen. Ein Indikator dafür, dass die Versorgung mit Wasser für die Landwirtschaft, die Regeneration des Grundwassers und damit die Versorgung mit Trinkwasser gefährdet ist. Die Liste von Indikatoren für einen Klimawandel ließe sich fast beliebig verlängern, sei es durch Aufzählung zugewanderter und Krankheiten übertragender Insekten oder Zecken, das Absterben von Korallenriffen, die invasive Verbreitung von bisher nicht heimischen Pflanzen, die drohende Übersäuerung der Meere. Und, ja, nicht zu vergessen: der Corona-Erreger, die Erreger von Vogelgrippe und Schweinepest, von Ebola und HIV.
Die Folgen wurden lange unterschätzt
Dass diese zunächst von verschiedenen Naturwissenschaften erforschten Ereignisse und Prozesse miteinander kausal zusammenhängen und von einer neuen, die verschiedenen Wissenschaften und deren bisherige Ergebnisse integrierenden Disziplin untersucht werden müssen, ist ein Resultat der Erkenntnisse aus der Biodiversitätsforschung und der Erforschung der Ursachen des "Ozon-Lochs". Das in solcher transdisziplinären Forschung gewonnene Wissen ermöglicht dann auch viel genauere Angaben zu den nötigen, den Klimawandel aufhaltenden Maßnahmen. Als Name dieser neuen Wissenschaft wurde um die Jahrtausendwende vorgeschlagen: Erdsystemwissenschaft. In diese Wissenschaft konnte zum einen die ungeheure Menge empirischen Wissens der bis dahin unabhängig voneinander forschenden Einzeldisziplinen integriert werden. Zudem wurde in der Modellierung des Datenmaterials vor allem in den letzten drei Jahren deutlich, dass bisherige theoretische Grundannahmen – insbesondere die Annahme eines stetigen, kontinuierlich und linear dargestellten Wandels des Klimas – falsch sind und zu einer fatalen Unterschätzung der dramatischen Prozesse des Klimawandels und seiner Folgen geführt haben. Denn viele dieser Prozesse sind selbstverstärkend, sich immer schneller aufschaukelnd. Dies sei an den Hitzewellen in Sibirien im letzten Jahr und in diesem Frühjahr erläutert.
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A.S.
am 11.09.2021