Eigentlich sollten wir, drei Erwachsene, Ende April von Stuttgart nach Heraklion auf Kreta geflogen sein, um zwei schöne Ferienwochen zu genießen. Wir hatten alles bestens geplant, den Direktflug mit Eurowings, die Übernachtungen, den Mietwagen. Auch die Straßenkarte lag bereit. Unsere individuellen Buchungen liefen per Telefon etwas mühsam über den Internet-Reisevermittler Opodo. Er ist einer der größten seiner Zunft in Europa. Jede Buchung wurde sofort per Bankeinzug bezahlt. Das war im Januar 2020. Dann kam Corona, die Reisewarnung aus Berlin, und es folgte eine unverschämte Blockadepolitik der Touristikmanager.
Klar, dass der Urlaub wegen der Virenpandemie spätestens ab Mitte März gestrichen werden musste. Schließlich hatten nicht nur die Deutschen, sondern auch die Griechen ihren Shutdown. Flughäfen (außer Athen) und die meisten Hotels mussten schließen, Touristen unerwünscht. Bei dieser Lage, dachten wir, brauchen wir nicht einmal von der Reise zurückzutreten, denn es war schlicht unmöglich, sie anzutreten. Das konnte jeder über die täglichen Nachrichten mitverfolgen. Wir hatten übrigens zur Sicherheit eine Reiserücktrittsversicherung mitgebucht. Daher stand für uns fest: Eine Mail mit der erlösenden Nachricht von Opodo, dass die einkassierten Gelder auf unser Konto gewandert sind, war nur eine Frage der Zeit. Schließlich steht uns auch das neue europäische Reiserecht zur Seite. Es garantiert die Rückzahlung des Reisepreises binnen weniger Tage, wenn die Tour ohne eigenes Verschulden nicht angetreten werden kann. Alles bestens – eigentlich.
Erst unterbricht ein Bot, dann ist man überfordert
Das Corona-Virus konnte noch so böse wüten, die Geldrückzahlung kommt nicht. Opodo und die Fluggesellschaft Eurowings, eine Lufthansa-Tochter, schweigen beharrlich, lassen uns zappeln. Also raffen wir uns auf, bei Opodo direkt telefonisch nachzuhaken – was bei diesen Internetfirmen stets eine üble Tortour ist: erst mal lange warten mit nervtötender Musik, dann die stereotype Abfragerei, was wir überhaupt wollen. Und selbstverständlich läuft diese "Kommunikation" zwischen analogem Mensch (uns) und einem sturen Automaten. Mehrfach vernahm ich die entfremdende Botschaft "Ich bin ein Bot" (Roboter). Grotesk an dieser digitalen Entmenschlichung ist, dass der virtuelle Weg zu diesen Geräten nur über eine Auftragsnummer führt, worüber sonst!
Also brav sucht der Kunde im Wust von Nummern und Zahlen in seinen Unterlagen nach der hoffentlich richtigen Auftragsnummer, um im zweiten oder dritten Anlauf am anderen Ende der Leitung endlich die ersehnte Stimme eines Menschen aus Fleisch und Blut hören zu können. Doch weit gefehlt! Schon beim Eintippen der langen Autragsnummer schaltet sich der Opodo-Bot ein und behauptet dreist, die Nummer sei falsch. Das Gespräch ist jäh beendet. Ich frage mich: Welchen Fehler habe ich wohl gemacht? Selbstverständlich wiederholen wir diesen Anruf. Der Mensch zweifelt ja mehr an sich als an der Technik. Der Bot ist der digitale Gott der Neuzeit. Aber auch den nächsten und übernächsten zeitraubenden Kontaktversuch würgt der Sprechautomat barsch ab. Unser Frustpegel steigt gewaltig.
Die nächsten Tage versuchen wir, Opodo übers Internet zu kontaktieren. Auch hier baut der Reisemakler allerhand Hürden auf, lässt uns umständlich Kästchen um Kästchen ausfüllen und führt uns mit vielen Fragen und Links wie an einem virtuellen Rüssel durch die Maschen des Netzes. Wir haben den Eindruck, dass uns Fallen gestellt werden und Opodo Zeit schinden will. Offenbar folgt Opodo den Warnungen von Anwälten, ja keine einklagbaren Aussagen gegenüber Kunden zu treffen.
Wir indes versuchen krampfhaft in Kommentarfeldern der Opodo-Mails, unser Anliegen ehrlich zu verbalisieren. Doch da könnten wir gleich den Mond anflehen. Keine eindeutige Reaktion, geschweige denn die verbindliche Zusage der Rückerstattung unserer Gelder. Irgendwann ist virtuell im Netz eine menschliche Regung wahrnehmbar. Opodo signalisiert uns, dass deren Organisation wegen der sich rasch ausbreitenden Corona-Pandemie mit den vielen Anfragen überfordert sei. Das bedeutet nichts Gutes? Es ist Ende März.
Opodo bietet Gutscheine an – alternativlos
Unser Ärger wächst, wir wollen unser Geld zurück! Dann bietet uns Opodo unvermittelt Gutscheine an, alternativlos. Wir fragen uns, was passiert, wenn Opodo Pleite geht? Unsere Forderung würde ohne Bedeutung in die Konkursmasse des Maklers einfließen, ähnlich wie im Fall Thomas Cook. Dann sehen wir unser Geld nie mehr. Und wer überhaupt ist Opodo? Wieder machen wir uns im Internet auf die Suche – und finden wenig. Nur soviel: Opodo ist eine verzweigte Gruppe mit Hauptsitz irgendwo in London. Die "Deutschland-Zentrale", bei der wir gebucht haben, residiert – wie naheliegend – im katalanischen Barcelona. Und in Deutschland? Fehlanzeige. Wer tiefer schürft, findet Spuren von Opodo in Richtung Irland und in entferntere Regionen.
Dieses Monopoly mit Firmenschachteln beunruhigt uns, zumal London nicht mehr in der EU liegt. Wir beginnen, wie Markt- und Firmenstrategen zu denken. Vielleicht ist die Gutscheinlösung taktisch besser, als unsere Forderung über einen Anwalt einzuklagen? Denn eine mögliche Nachfolgefirma könnte an Gutscheinen interessiert sein. Sie wären für ihn wichtige Adressen als Zugang zu Kunden. Auf diesem Weg könnte unsere Forderung sogar überleben – eigentlich. Dieses schwammige Unwort sollte ein mit Fakten arbeitender Journalist eigentlich meiden. Aber unsere unvollendete Geschichte mit Opodo fordert diesen nebulösen Begriff heraus.
Alles Hin und Her und wohlfeile Tips sogenannter "Experten" im Netz, die sich oft widersprechen, nützen nichts: Opodo und unser Geld bleiben unerreichbar. Jetzt wenden wir uns hoffnungsfroh an unsere Airline, Eurowings. Wir folgen damit dem Rat von Opodo. Doch dies erfordert detektivische Kleinstarbeit.
5 Kommentare verfügbar
Peter Pan
am 01.07.2020Im Januar gebucht für Oktober und dann kam Corona. Natürlich wurde ich sofort darüber informiert, dass ich für die Flüge einen Gutschein…