Das späte Frühjahr 2016 könnte so aussehen: Die Festung Europa ist eingeweiht. Aus dem Strom der Zehntausende Flüchtlinge pro Tag ist eine überschaubare tägliche Zahl von etwa 500 Flüchtlingen nach Deutschland geworden. Die Türkei hat 30 000 Soldaten entlang ihrer Grenze zu Griechenland stationiert, um die Flüchtlinge an der Überfahrt zu hindern. Die EU zahlt mehr als drei Milliarden Euro an die Türkei. Fast alle Fluchtboote sind vom türkischen Militär beschlagnahmt.
Frontex ist inzwischen mit 28 Patrouillenbooten unterwegs – um die Flüchtlinge in die Türkei zurückzubringen, sie an der griechischen Küste abzusetzen oder sie vor dem Ertrinken zu retten. Die Balkanroute ist weitgehend so sicherheitspolitisch "verfeinert", dass ein Durchkommen bis zur österreichisch-deutschen Grenze immer schwieriger wird. Die Asylpakete I und II tun ihre Wirkungen, und die Abschiebequoten schießen in die Höhe. Das Asylrecht, schon 1993 ausgehebelt, wird weiter geschliffen.
In Umfragen erscheinen die Bürger beruhigter als in den Monaten zuvor. Das verfehlt in den Flüchtlingslagern im Libanon, der Türkei und dem Irak nicht seine Wirkung: Die große Mehrheit macht sich nicht mehr auf die Flucht, und die Hoffnungen auf ein Honigland Deutschland verflüchtigen sich. Kanzlerin Angela Merkel kann ihren Kurs der solidarischen Mitte in der Mehrzahl der EU-Staaten nicht durchsetzen. Sie baut auf langfristige Lernprozesse. Obergrenzen müssen nicht mehr gesetzt werden, sie ergeben sich daraus, dass sich die Festung Europa brutalstmöglich abschottet.
Es kommt zu einer Dethematisierung der Flüchtlingsfrage nach den Landtagswahlen im Frühjahr 2016. Der Konflikt zwischen Merkel und ihrem Widersacher Horst Seehofer von der CSU ist entschärft. Merkel hat zwar ihre Offenheit und ihre Willkommenskultur rhetorisch beibehalten, aber sich längst den Machtgegebenheiten in der CDU/CSU gebeugt. Helmut Kohl hat schon recht, dass Merkel die Macht zusammenhält. Sie ist die krisenfeste Resultante des Mächteparallelogramms.
Wenn nicht alles trügt, wird sie nach den Landtagswahlen ihre Macht festigen können. Sollte in Rheinland-Pfalz die AfD ins Parlament einziehen, dann ist eine große Koalition unter der CDU-Vorsitzenden Julia Klöckner die plausibelste Variante. In Baden-Württemberg ist es komplizierter, weil vor allem Rot bei Grün-Rot schwächelt und Winfried Kretschmanns Reputation alleine nicht reichen wird. Wählerinitiativen für den grünen Regierungschef aus der Zivilgesellschaft sind bisher unbekannt.
8 Kommentare verfügbar
Werner
am 25.01.2016Ihre These einer CDU/AFD-Koalition vertrete ich schon seit langem. Allerdings kommt diese m.E. nur dann, wenn andere Koalitionen nicht möglich sind.
Wir wissen doch, dass die Politik eine Hure ist. Aus reinem Machtgehabe ist für unsere Damen und Herren Politiker/innen alles denk- u.…