Winfried Kretschmann saß neben ihm, weil "man sich das ja nicht immer aussuchen" kann, als im Bundesrat über das Asylpaket abgestimmt wurde. Und dann hoben sich die Hände der grünen Abgeordneten, zusammen mit jenen der Sozialdemokraten und der CDU/CSU. Vergangene Woche, auf dem Parteitag der CSU, triumphierte Horst Seehofer: "Das war einer der schönsten Freitage, die ich erlebt habe: dass die Grünen unserer Politik zustimmen."
Das kann man aus der Sicht Seehofers verstehen. Aber was ist mit all den Grünen, die ihm den Triumph nicht gönnen? Stellen sie ihre Abgeordneten zur Rede? Werden sie mit aller Macht verhindern, dass bei der nächsten Landtagswahl jemand für die Grünen als Ministerpräsident kandidiert, der der Politik der CSU, zu Seehofers Freude, zustimmt? Was, wenn nicht der Widerstand gegen diese Politik, sollte davon abhalten,das Original statt der Kopie, also die CDU statt die Grünen zu wählen? Angela Merkel jedenfalls scheint gegenüber Seehofer mehr Rückgrat zu zeigen als Winfried Kretschmann. Wer hätte gedacht, dass wir einmal, um der Wahrheit willen, solch eine Feststellung würden machen müssen.
Horst Seehofer und die CSU wollen bekanntlich eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen. Darüber ließe sich reden, und wie die Dinge liegen, müssen wir wohl davon ausgehen, dass auch die heutigen Gegner solch einer Deckelung über kurz oder lang, die grünen Bundesratsabgeordneten vielleicht ein paar Wochen vor der Bundeskanzlerin, einer Obergrenze zustimmen werden. Wer die verschärften Asylgesetze abgesegnet hat, ist, was er auch versichern mag, nicht mehr glaubwürdig. Genüsslich zitierte Seehofer ein Ergebnis einer von der FAZ in Auftrag gegebenen Allensbacher Umfrage, wonach 43 Prozent der "gesamten erwachsenen Bevölkerung den Eindruck (haben), dass man in Deutschland seine Meinung zu der Flüchtlingssituation nicht frei äußern darf und sehr vorsichtig sein muss, was man sagt". Soll heißen: man habe in Deutschland Nachteile zu erwarten, wenn man sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen äußere. Dieses Gerede von einer angeblichen "Meinungsdiktatur" gehört zum scheinargumentativen Kernbestand der Rechten, aber Seehofer und die CSU tun alles, um es für ihre Zwecke auszubeuten.
Was uns die Befürworter einer Obergrenze nicht verraten, ist dies: Was soll mit jenen geschehen, die die einmal bestimmte Obergrenze überschreiten? Sollen sie Krieg, Terror und Mord schutzlos ausgeliefert werden? Soll ihr vermeidbarer Tod, sollen Verfolgung und Folter hingenommen werden? Wie verträgt sich das mit dem christlichen Menschenbild, auf das sich Horst Seehofer in seiner Parteitagsrede mehrfach berief? Angela Merkel, was immer man sonst gegen sie vorbringen mag, scheint es jedenfalls ernster zu nehmen als der Vorsitzende der Schwesterpartei. Solange er nicht verbindlich erklärt, was jenseits der von ihm geforderten Obergrenze passieren soll, ist sein Christentum pures Lippenbekenntnis.
14 Kommentare verfügbar
Klaus
am 28.11.2015Die Australier wollen sich ja auch bei den Ureinwohnern nicht entschuldigen.
So kommt keiner in den Himmel.
Die Welt gehört allen, nicht nur den Reichen.