Bis zum Vortrag ist es zwar noch eine Weile hin. Für rechtzeitige Voranmeldung bedankt sich der Veranstalter aber schon heute. Mit Andrang ist zu rechnen, wenn im kommenden November Jens Böhlke im "WBI-Forum Forschung und Praxis" in Weinheim auftritt, um über die "Umsetzung von EU-Regelungen im Bereich der Eisenbahninfrastruktur" zu referieren. Denn Doktoringenieur Böhlke ist in Bahnkreisen kein Nobody, sondern als Leiter der Abteilung 2 (Infrastruktur) des Bonner Eisenbahnbundesamts eine herausragende Persönlichkeit: Über den Tisch von Böhlke gehen alle Pläne von Schienenbauprojekten in Deutschland. Er verkörpert die Fachinstanz, die entscheidet, ob Bahnhöfe, Bahnbrücken und Bahntunnels hierzulande gebaut werden.
Böhlke hält seinen Forumsvortrag vor einem besonders interessierten Publikum. Gastgeber des Abteilungspräsidenten ist kein Geringerer als Walter Wittke. Der Professor gilt inzwischen als Haus- und Hofgeologe der Deutschen Bahn AG (DB). Sein familiengeführtes Unternehmen Wittke Beratende Ingenieure für Grundbau und Felsbau (WBI), im Jahr 1980 in Aachen gegründet, wurde groß durch Aufträge der Deutschen Bahn. "Unsere Arbeit wurde von Beginn an durch den Tunnelbau im Stadtgebiet von Stuttgart bestimmt", so Wittkes Eigendarstellung im Internet. Aktuell ist das Ingenieurbüro auch Auftragnehmer beim Milliardenprojekt Stuttgart 21.
Auf unterschiedlichen Seiten tätig
Beim Weinheimer WBI-Forum treffen somit zwei Experten aufeinander, die im beruflichen Leben auf verschiedenen Seiten mit diffizilen Interessenlagen arbeiten: EBA-Vortragsredner Böhlke entscheidet, ob sein Gastgeber Wittke als DB-Gutachter und Planer beim komplizierten Tiefbahnhofbau im Herzen der baden-württembergischen Landeshauptstadt richtig liegt.
Mit dem Böhlke-Vortrag drängt sich die Frage nach der Unabhängigkeit des Eisenbahnbundesamts auf, das als zuständige Bundesbehörde das größte Infrastrukturvorhaben der Republik überwacht. Das Gastspiel des EBA-Spitzenbeamten bei einem Planungsbüro der Bauherrin berührt auch juristische Aspekte. "Ein Vortragsredner übt eine Nebentätigkeit aus, und dafür braucht er die Genehmigung seines Arbeitgebers", verweist Gisela Rüß, Vorstandsmitglied von Transparancy International, auf das Beamtenstatusgesetz. "Eine Nebentätigkeit ist grundsätzlich anzeigepflichtig. Sie ist unter Erlaubnis- oder Verbotsvorbehalt zu stellen, soweit sie geeignet ist, dienstliche Interessen zu beeinträchtigen", heißt es wortwörtlich in Paragraf 40 des Gesetzes. Die Vorgabe soll Begünstigung wie Korruption in Behördenstuben vorbeugen."Es darf durch die Nebentätigkeit auf keinen Fall nur den Anschein haben, dass es einen Interessenkonflikt gibt. Jeder Beamte sollte bei diesem Thema sehr vorsichtig sein", betont Gisela Rüß, die von 2005 bis 2009 Antikorruptionsbeauftragte und Leiterin des Arbeitsstabs Korruptionsprävention in Brandenburg war.
EBA sieht Vortragstätigkeit als "Informationsaustausch"
Böhlkes Arbeitgeber hat mit dessen Gastvortrag dagegen keine Probleme. Der technische Fortschritt im Eisenbahnwesen verlange nach einem stetigen Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten, teilt die Behörde auf Kontext-Anfrage in einer ausführlichen Stellungnahme mit. "Der Eisenbahnaufsicht ist es darum in mehrfacher Hinsicht ein Anliegen, diesen Informationsfluss zu fördern", so EBA-Sprecher Moritz Huckebrink. "Ein reger Gedankenaustausch befördert nicht zuletzt auch das Verständnis für das behördliche Handeln. Darum stellt sich das EBA – mitunter auch vertreten durch seine hochrangigen Beamten – dem öffentlichen Diskurs und erläutert die rechtlichen Rahmenbedingungen seiner Entscheidungspraxis", so der Sprecher weiter.
Das EBA wertet den Gastauftritt seines Spitzenbeamten in Wittkes Ingenieurbüro auch nicht als Nebentätigkeit. "Schriftstellerische, wissenschaftliche, künstlerische oder Vortragstätigkeiten sind nach § 100 Bundesbeamtengesetz (BBG) keine genehmigungspflichtigen Nebentätigkeiten", betont Sprecher Huckebrink. Bei dienstlichem Interesse seien diese sogar während der Arbeitszeit erlaubt.
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Menne
am 14.03.2014