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Ärger mit der Wehrmacht

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Verteidigungsministerin von der Leyen will Kasernen umbenennen, die Wehrmachtsoffiziere als Paten haben. Der baden-württembergische Historiker Wolfgang Proske engagiert sich dafür schon seit Jahren, auch mit einer Petition beim Bundestag. Vor kurzem wurde diese noch abgelehnt.

Erstaunlich, wie schnell es manchmal gehen kann. Der Skandal um den rechtsextremen Bundeswehrsoldaten Franco A. und die Erkenntnis, dass die Bundeswehr offenbar ein strukturelles Problem mit rechtem Gedankengut hat, scheint als Katalysator zu wirken, um noch vorhandene Traditionslinien zur Wehrmacht zu kappen. Zumindest bei Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die in der "Bild am Sonntag" vom 14. Mai betonte, "die Bundeswehr muss nach innen und außen signalisieren, dass sie nicht in der Tradition der Wehrmacht steht". Daher kündigte die Ministerin an, solche Kasernen, die noch mit einem Bezug zur Wehrmacht benannt sind, in naher Zukunft umzubenennen.

Für sieben Kasernen in Deutschland sind momentan noch Wehrmachtsoffiziere Namenspaten, davon gleich zwei, die nach dem im ostwürttembergischen Heidenheim geborenen Generalfeldmarschall Erwin Rommel benannt sind – eine im baden-württembergischen Dornstadt und eine in Augustdorf in Nordrhein-Westfalen (in der auch Franco A. zuletzt stationiert war). Würden diese beiden nach der ministeriellen Verlautbarung nun umbenannt, wäre das eine eindrucksvolle Wende.

Denn noch vor einigen Monaten hatte der Deutsche Bundestag eine Petition, die eine Umbenennung der beiden Rommel-Kasernen forderte, zurückgewiesen. Der Geschichtslehrer und Historiker Wolfgang Proske aus Gerstetten im Kreis Heidenheim hatte sie eingereicht. Proske kämpft seit Jahren dafür, dem teils immer noch bestehenden Heldenkult um den "Wüstenfuchs" ein Ende zu bereiten (<link https: www.kontextwochenzeitung.de politik rommel-und-kein-friede-1460.html _blank external-link>Kontext berichtete). Rommel sei <link https: www.kontextwochenzeitung.de zeitgeschehen hitlers-liebling-930.html _blank external-link>"Hitlers Liebling" gewesen und der Krieg des von ihm geführten "Afrika-Korps" in Nordafrika keineswegs so sauber, wie meist dargestellt. So habe etwa das Afrika-Korps in Zusammenarbeit mit der SS 1942 in Ägypten bereits mit Vorbereitungen für die Ermordung der dort lebenden Juden begonnen, wie Proske auch in der Begründung seiner Petition darstellt.

"Vorbildliche Haltung" bescheinigt der Generalarzt

Besonders unbefriedigend findet Proske, mit welcher Begründung der Petitionsausschuss des Bundestages seine Petition zurückwies. In dem Antwortschreiben vom 28. Dezember 2016 argumentiert der Generalarzt Bernhard Groß aus dem Bundesverteidigungsministerium, da Rommel mehrmals verbrecherische Befehle Hitlers missachtet habe, belege dies "eine vorbildliche Haltung im Sinne des Traditionsverständnisses der Bundeswehr". Außerdem würden "neuere historische Forschungen" nahe legen, dass der Feldmarschall, so Groß, "stärker in den Staatsstreich des 20. Juli 1944 involviert gewesen war, als dies bisher angenommen worden ist."

Welche "neueren historischen Forschungen" dies sein sollen, schrieb Groß nicht. Proske, der den Forschungsstand zu Rommel umfassend kennt, findet die Behauptung einer stärkeren Involvierung Rommels in den Widerstand denn auch "aus der Luft gegriffen und nichts weiter als eine Fortsetzung des überkommenen 'Mythos Rommel'". Aber möglicherweise ist diese Kontroverse ohnehin bald hinfällig, sollte sich von der Leyen mit ihrer Forderung durchsetzen.

Das bleibt indes erst einmal abzuwarten. Denn für die Umbenennungs-Offensive der Verteidigungsministerin gibt es bereits Gegenwind, sowohl, was die beiden Rommel-Kasernen betrifft, als auch im Falle der nach dem Jagdflieger Helmut Lent benannten Lent-Kaserne im niedersächsischen Rotenburg. Bei Rommel eine Ausnahme zu machen, fordert ausgerechnet Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin. Denn Rommel sei zwar Objekt von NS-Propaganda gewesen, wird Tuchel in der "Bild am Sonntag" vom 14. Mai zitiert, seine "Betrachtungen zur Lage" vom 15. Juli 1944 markierten aber einen klaren Bruch mit Hitler. "Insofern kann die Erinnerung an Rommel zum Nachdenken über die Grenzen von Befehl und Gehorsam anregen", so Tuchel.

Proske kann Tuchels Plädoyer für den Erhalt des Namens nicht nachvollziehen, "noch dazu unter Verwendung einer Quelle aus dem Jahr 1944". Denn "die Absicht von solchen Dokumenten muss immer quellenkritisch hinterfragt werden, vor allem dann, wenn derartige Äußerungen die realen Handlungen eines Menschen konterkarieren." Vehementer Widerspruch kommt auch von Jakob Knab, seit langem einer der entschiedensten und streitbarsten Kämpfer gegen Wehrmachtbezüge der Bundeswehr. Knab empfiehlt Tuchel, dieser solle abwarten, bis das neue Buch seines Historikerkollegen Peter Steinbach über den Rommel-Mythos erschienen sei – "und dann erst den Mund aufmachen".

Für sein Engagement erhielt Knab schon Morddrohungen

Der ehemalige Gymnasiallehrer Knab aus Kaufbeuren ist Gründer und Sprecher der "Initiative gegen falsche Glorie", schon in den frühen 1990ern engagierte er sich unter anderem für die Umbenennung der Dietl-Kaserne in Füssen, und <link http: www.spiegel.de spiegel print d-13681952.html _blank external-link>erhielt deswegen Morddrohungen.

Für Knab ist völlig klar: Von den Wehrmachtsoffizieren, nach denen die sieben Kasernen benannt sind, ist "kein einziger traditionswürdig für die Bundeswehr". Und neben Rommel ganz besonders nicht Helmut Lent. Der war als einer der erfolgreichsten deutschen Jagdflieger des Zweiten Weltkrieges auch interessant für die NS-Propaganda, in deren Dienst er sich mit viel Einsatz stellte. Bis kurz vor seinem Tod im Oktober 1944 verbreitete er eifrig Durchhalteparolen und Endsieg-Floskeln, etwa dass deutsche Soldaten "in leidenschaftlicher und fanatischer Weise bis zum letzten Blutstropfen kämpfen" sollten, und wurde auch von Reichsmarschall Hermann Göring für sein "unvergängliches Heldentum" gelobt.

Dass so jemand kaum als Traditionsstifter taugt, findet nicht nur Knab, sondern seit 2013 auch das Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) in Potsdam. In Rotenburg sieht man dies offenbar anders. Dort haben sich als Reaktion auf von der Leyens Ankündigung gerade erst die Soldaten der Kaserne für eine Beibehaltung des Namens ausgesprochen. Nicht allein deswegen betrachtet Knab sie als "die eigentliche Skandal-Kaserne".

Es ist nur das jüngste Kapitel einer schon lange andauernden Kontroverse, um nicht zu sagen, einer Posse. 1964 erfolgte die Namensnennung auf Betreiben von Lents früherem Vorgesetzten, Josef Kammhuber, der seine militärische Karriere nach dem Krieg als Luftwaffenoffizier der Bundeswehr fortsetzte. Bei einer Überprüfung von Kasernennamen kam das MGFA indes 2013 zum Schluss, dass Lents militärisches Handeln nicht traditionswürdig sei, worauf das Verteidigungsministerium eine Umbenennung forderte. Dem stellten sich sowohl Rotenburgs Bürgermeister Detlef Eichinger als auch der Landrat Hermann Luttmann (CDU) entgegen. Und nun also auch die dort stationierten Soldaten. Da die Bundeswehr versucht, Benennungen möglichst im Einvernehmen mit den Truppen vor Ort und den zuständigen Kommunen vorzunehmen, dürfte dies noch ein spannender Prozess werden.

Seit 1995 wurden 16 Bundeswehr-Kasernen umbenannt

Die Problematik fragwürdiger Bezüge zur Wehrmacht wurde schon früher gesehen, bereits 1982 reagierte die Bundeswehr mit einem Traditionserlass darauf. Verteidigungsministerin von der Leyen hat nun angekündigt, auch diesen zu modernisieren. Vielleicht müsste er aber einfach nur konsequent angewandt werden. In dem 35 Jahre alten Dokument ist zu lesen: "In der Traditionspflege der Bundeswehr sollen solche Zeugnisse, Haltungen und Erfahrungen aus der Geschichte bewahrt werden, die als ethische und rechtsstaatliche, freiheitliche und demokratische Traditionen auch für unsere Zeit beispielhaft und erinnerungswürdig sind."

Für Jakob Knab ist es im Grunde ganz einfach: "Das Grundgesetz ist die Antwort auf die deutsche Geschichte", sagt der ehemalige Gymnasiallehrer. Die Wertgebundenheit und das demokratische Selbstverständnis der Streitkräfte darzustellen, das sei folglich "die Grundlage der Traditionspflege der Bundeswehr".

 

Weiterführende Literatur:

Wolfgang Proske: Zwei Rollen für Erwin Rommel beim Aufmarsch der Wehrmacht in Libyen und Ägypten, 1941-1943, in: Ders. (Hg.): Täter Helfer Trittbrettfahrer, Bd. 3: NS-Belastete aus dem östlichen Württemberg, Reutlingen 2014.

Daniel Sternal: Ein Mythos wankt. Neue Kontroverse um den "Wüstenfuchs" Erwin Rommel, Gerstetten 2017.


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8 Kommentare verfügbar

  • Andromeda Müller
    am 28.05.2017
    Antworten
    Dieses Thema gibt es nun schon ewig ,aber warum ist es denn jetzt mal wieder
    soo wichtig ?
    Viel wichtiger wäre doch , daß Deutschland seine Armee von einer Angriffsarmee wieder zu einer Verteidigungsarmee umfunktionieren würde . Würde auch uns , den Steuerzahler , viel billiger kommen . …
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