Solche Einlassungen werfen bei einem so klugen und wohlinformierten Politiker, wie Farny es war, viele Fragen auf. Zum Zeitpunkt der Annahme des "Ermächtigungsgesetzes", nur sieben Wochen nach der "Machtergreifung", waren die "Säuberungen" im Reich bereits im vollen Gange, politische Gegner wurden verfolgt und in "Schutzhaftlager" gesperrt. Dies war ebenso in den Tageszeitungen zu lesen wie die von Tag zu Tag üblere Hetze gegen jüdische Mitbürger. Die Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 war in großen Teilen von Hitler und Reichspräsident Hindenburg außer Kraft gesetzt worden. Es kann also keine Rede davon sein, "niemand" habe den tatsächlichen Charakter des Hitler-Regimes im März 1933 erkennen können.
Welche Umstände Farny veranlassten, am 23. Juni 1933, also noch vor der Auflösung der Zentrumspartei, sein Reichstagsmandat niederzulegen, ist unklar. Möglicherweise spielte die Verhaftung seines Bruders Hugo durch die Gestapo dabei eine Rolle. In jedem Fall sah alles nach einem Ende der parlamentarischen Laufbahn Farnys aus.
Die Dokumente liegen vor, die Farnys scheinbar unfreiwillige, weil vom Reichsinnenminister verordnete Aufnahme in den NSDAP-"Reichswahlvorschlag" vom Oktober 1933 nachweisen. Nicht bekannt ist bis jetzt aber, was sich im Vorfeld der "Wahl" des IX. Reichstags im November 1933 hinter den Kulissen tatsächlich abgespielt hat. Farny selbst sprach von einer "Zwangseinweisung zu den Heilrufern im Reichstag". Wohlwollende Autoren werten Farnys Aufnahme als Hospitant in die NSDAP-Fraktion als Versuch der Nationalsozialisten, den einflussreichen Landwirtschaftsfunktionär "umzudrehen".
Ein Repräsentant des "Dritten Reichs"
Unterm Strich bleibt festzustellen, dass Farny als "M. d. R." (Mitglied des Reichstags) ein Repräsentant des "Dritten Reiches" war, was ebenso für seine Leitungsfunktionen in landwirtschaftlichen Organisationen wie auch für seine Tätigkeit (1941–1945) als Stabschef beim Kommandeur für das Kriegsgefangenenwesen beim stellvertretenden Generalkommando Wehrkreis V (Stuttgart) gilt. Die Behauptung, damit "Schlimmeres" verhütet haben zu wollen, gehört zum Kanon der Rechtfertigung politisch belasteter Personen.
Das Entnazifizierungsverfahren Farnys zeigt geradezu idealtypisch, wie die "politische Säuberung" in Nachkriegsdeutschland ablief. Es gelang Farny, eine Vielzahl entlastender sogenannter Persilscheine zusammenzutragen, die ihn nicht nur von jeder Schuld reinwuschen, sondern ihm eine stets "anständige innere Haltung" attestierten. Und nicht wenige von ihnen rückten Farny in die Nähe des Widerstands gegen Hitler.
Dass Farny am Ende des Verfahrens Anfang 1949 als "entlastet" eingestuft wurde, hatte wesentlich auch mit der Prominenz seiner Fürsprecher zu tun. Unter ihnen der FDP-Ministerpräsident von Württemberg-Baden, Reinhold Maier, der Kultusminister von Württemberg-Hohenzollern, Albert Sauer, der württemberg-badische Minister und CDU-Gründer Josef Andre, der Landrat von Aalen, Anton Huber, General Hans Speidel und Rechnungshofpräsident Karl Hofmeister. Acht russische Kriegsgefangene, die während des Krieges auf Farnys Gut Zwangsarbeit leisten mussten, bescheinigten ihm, sich ihnen gegenüber immer anständig verhalten zu haben. Ein Polizeibeamter bestätigte, Farny habe durch seinen persönlichen Einsatz am 27. April 1945 die von deutscher Seite befohlene und vorbereitete Sprengung der Argen-Brücke verhindert.
Erstaunlicher Widerstand gegen den König des Allgäus
Den Versuchen des "entlasteten" Farny, nach 1946 der CDU beizutreten, begegnete vor Ort, in Wangen und Oberschwaben, erstaunlich heftiger Widerstand. So wurde dem mächtigen "König des Allgäus", der wieder eine politische Rolle spielen wollte, die Mitgliedschaft im Landes- und Wangener Bezirksverband über mehrere Jahre verwehrt. 1949 scheiterte eine Bewerbung Farnys als Ravensburger Bundestagskandidat. Man zog ihm Kurt Georg Kiesinger vor, der Mitglied der NSDAP und stellvertretender Leiter der Abteilung Auslandspropaganda im Reichsaußenministerium war. Erst das entschiedene Eintreten Gebhard Müllers, Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollern und von 1953–1958 Ministerpräsident von Baden-Württemberg, für Farny ermöglichte schließlich doch dessen Aufnahme in die CDU – im Jahre 1954, wie Farnys Biograf Robert Schmidtchen ermittelt hat.
Mit einigen seiner Widersacher war mit der Zeit eine Versöhnung möglich, mit anderen nicht: Das CDU-Vorstandsmitglied Arist Dethleff, Wohnwagenhersteller in Isny, der Farnys Aufnahme widersprochen hatte, soll viele Jahre später dessen "Rache" zu spüren bekommen haben: Die Südwestbank gewährte ihm keinen größeren Kredit für eine Baumaßnahme – ihr Aufsichtsratsvorsitzender war Farny.
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f.
am 23.05.2015