Die Zahl alarmiert: Wenn Energie- und Bergbaukonzerne weiter ungebremst Kohle, Öl und Gas fördern, dann würde deren Verbrennung fast drei Billionen Tonnen Kohlendioxid freisetzen. Für das immer wärmere Weltklima eine unerträgliche Menge. Um das sogenannte Zwei-Grad-Limit vom Pariser Klimagipfel zu erreichen, dürften bis zum Ende des Jahrhunderts maximal nur noch zwischen 0,5 und 0,75 Billionen Tonnen des Klimagases entweichen, haben Wissenschaftler der <link http: www.carbontracker.org deutsch external-link-new-window>Carbon Tracker Initiative (CTI) berechnet. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 emittierten Verkehr, Energieerzeugung, Landwirtschaft und andere Quellen weltweit 49 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente. Damit ist klar: Der größte Teil der fossilen Brennstoffe muss ungenutzt im Boden verbleiben, um das Versprechen von Paris zu erfüllen. An ihrer Stelle müssen erneuerbare Energien die Menschheit mit Energie und Wärme versorgen.
"Regierungen und Unternehmen müssen ihre Planungen an die laufende Energiewende anpassen, auch um eine emissionsarme Entwicklung zu sichern", fordern die CTI-Experten in einer aktuellen Studie. Passiert nichts, dann riskierten sie, enorme Summen an Geld zu verbrennen. Fossile Energieunternehmen könnten in den nächsten zehn Jahren insgesamt bis zu 2,2 Billionen Dollar in den Sand setzen, weil sie internationale Klimaschutzmaßnahmen oder Fortschritte im Bereich umweltfreundlicher Technologien ignorieren. Laut CTI sind schon heute keine neuen Kohleminen mehr erforderlich, zudem wird die Nachfrage nach Öl 2020 ihren höchsten Punkt erreicht haben, und auch der Gasabsatz wird deutlich unter den Erwartungen der Industrie bleiben.
Ein Weckruf für öffentliche wie private Investoren, die ihr Geld in Aktien und Anleihen von Energiemultis wie Exxon, Gazprom & Co. angelegt haben. Ländern und Städten, Pensionsfonds wie Kleinanlegern drohen massive Einbußen bis hin zum Totalverlust, sollten sie ihr Kapital nicht bald aus Unternehmen mit fossilem Geschäftsmodell abziehen, sprich divestieren. Nach der Dotcom- und der Immobilien-Blase droht an den Börsen ein Platzen der Kohlenstoff-Blase. Dabei tickt die "Divestment-Uhr" bereits, wie Hiobsbotschaften aus der Wirtschaftswelt verdeutlichen: Die deutschen Energieriesen RWE und Eon schrieben zuletzt historische Milliardenverluste. Mitte April rutschte der US-Konzern Peabody, der weltgrößte börsennotierte Kohleproduzent, im Zuge des Preisverfalls in der Branche in die Pleite.
Klima- und Umweltaktivisten fordern schon länger den Ausstieg aus der Kohle- und Ölindustrie, um ein Überleben der Menschheit auf dem Planeten zu sichern. 2008 gründete der US-amerikanische Öko-Autor Bill McKibben die Graswurzelbewegung <link https: de external-link-new-window>"350.org". Das nach eigenen Angaben mittlerweile in 188 Ländern aktive Netzwerk will mit Kampagnen auf lokaler und nationaler Ebene und im Internet auf Politiker einwirken. Die Zahl 350 steht für die klimaverträgliche Menge an CO2 in der Atmosphäre, die von derzeit 400 ppm (Teilchen pro Million) auf unter 350 ppm zu verringern ist.
"Wenn es falsch ist, das Klima zu zerstören, dann ist es falsch, von dieser Zerstörung zu profitieren. Wir glauben, dass Unis, Kirchen, Städte und Kommunen klimaschädliche Investments beenden müssen", heißt es bei der Fossil-Free-Bewegung, einem weiteren internationalen Divestment-Netzwerk. Am Global Divestment Day im Februar 2015 warben ihre Mitglieder auf mehr als 450 Veranstaltungen in 60 Ländern für eine karbonfreie Zukunft. In Deutschland engagieren sich inzwischen <link http: gofossilfree.org de external-link-new-window>über 20 Fossil-Free-Gruppen, etwa in München, Essen, Berlin, Münster, Heidelberg, Stuttgart, Freiburg, Karlsruhe und Konstanz.
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CharlotteRath
am 01.06.2016