"Abgeschaltete Kernkraftwerke lassen sich vollständig abbauen, ohne Risiko für die Bevölkerung, die Umwelt und das Personal", heißt es auf <link http: www.kernenergie.de _blank>www.kernenergie.de, dem Internet-Portal des Deutschen Atomforums. Auch die übrigen Passagen zu Stilllegung und Rückbau ausgedienter Reaktoren klingen mehr nach Kinderspiel denn nach aufwendiger und teurer Entsorgung tödlich strahlender Kolosse. "Erfahrenes Fachpersonal steht ausreichend zur Verfügung. Die Techniken für den Rückbau sind erprobt. Genehmigung und Management der Stilllegung erfolgen nach eingespielten Vorgehensweisen", verbreitet die Lobbyorganisation der Atomwirtschaft im Netz. Zudem sei der Rückbau von Meilern & More für Deutschland längst kein Neuland mehr: "Es wurden bereits drei Kernkraftwerke und eine ganze Anzahl sonstiger kerntechnischer Anlagen vollständig abgebaut", wird Routine im Umgang mit den Hinterlassenschaften des ausgehenden Atomzeitalters suggeriert.
Vor Ort, in den Standort- und Anrainergemeinden der bundesweit derzeit acht im "dauerhaften Nichtleistungsbetrieb" befindlichen Atommeiler, sieht man den anstehenden Rückbau mit gemischteren Gefühlen. Etwa in Philippsburg und Neckarwestheim in Baden-Württemberg, wo sich Erleichterung über das Ende der dortigen, älteren Einser-Blöcke mit Sorgen abwechselt, was aus den Anlagen wird. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 hatte der Betreiber EnBW die Meiler wegen Sicherheitsbedenken vom Netz nehmen müssen. Im vergangenen Jahr reichte der Energiekonzern die atomrechtlichen Genehmigungsanträge für dauerhafte Stilllegung und Abbau (SAG) ein. Seit Mitte Januar liegt der SAG-Antrag für Reaktorblock I des Gemeinschaftskraftwerks Neckarwestheim (GKN) im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Einsichtnahme aus. Bis Mitte März können Einwände dagegen vorgebracht werden.
Tausende Tonnen strahlendes Material
Dies wollen die in der "AG Atomerbe Neckarwestheim" zusammengeschlossenen Bürgerinitiativen nutzen. "Beim Abriss eines AKWs kommt zutage, was man vorher verdrängen konnte: Hunderttausende Tonnen von Problemmüll, große Freisetzung von Radioaktivität in die Luft und in das Wasser durch die Abrissarbeiten. Gezielte, aber letztlich unkontrollierte Freigabe von radioaktivem Material in alle Welt", formulieren die Atomkraftgegner ihren Einspruch gegen den geplanten Abriss des im Jahr 1976 erstmals hochgefahrenen Oldie-Meilers. Für sie ist der Rückbau rund zehn Kilometer südlich von Heilbronn, knapp 30 Kilometer nördlich von Stuttgart ein "schmutziger Abriss". Und der sei nicht genehmigungsfähig.
"Während des Abrisses soll nur eine unwesentlich kleinere Menge an Radioaktivität an die Luft abgegeben werden als im Leistungsbetrieb. In den Neckar soll sogar gleich viel Radioaktivität fließen wie all die Jahre zuvor ", konkretisiert Franz Wagner vom Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn. Auch an der vorgesehenen Behandlung und Entsorgung des Meilermaterials lässt der Arzt kein gutes Haar. "Wenn ein AKW stillgelegt wird, hinterlässt es nicht nur hochradioaktive Brennelemente in Reaktor und Abklingbecken, sondern auch Tausende Tonnen strahlende und kontaminierte Anlagen, Werkzeuge und Gebäude", sagt Wagner.
Das bestreiten weder Betreiber noch Behörden. Doch sie machen eine andere Rechnung auf. So sollen beim Abriss von Block 1 in Neckarwestheim geschätzt rund 450 000 Tonnen Abbruchmaterial anfallen, von dem jedoch nur weniger als ein Zehntel mit Radioaktivität in Berührung gekommen ist. Um die Menge des strahlendenden Materials zu reduzieren, werden kontaminierte Bauteile, etwa Rohre aus dem Primärkühlkreislauf, während des Abbaus gereinigt (dekontaminiert). Je nachdem mit Wasser und Spülschwamm, Sandstrahler oder Ultraschall. Auf diese Weise lassen sich Radionuklide von Oberflächen entfernen. Nach den bisherigen Erfahrungen schrumpft so die Menge an schwach- bis mittelradioaktivem Abfall auf rund ein Prozent der gesamten Abbruchmenge. Etwa 5000 Tonnen Strahlenmüll bleiben so übrig, der auf Dauer in Schacht Konrad endgelagert werden muss. Bis die Endlagerstätte bei Salzgitter einsatzbereit ist, nach neuesten Angaben nicht vor 2023, muss dieser in einem Standortabfalllager (SAL) auf dem Kraftwerksgelände zwischengelagert werden.
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irmi
am 02.03.2015