Extremwetterlagen sind auch in der kalten Jahreszeit Auslöser großflächiger Stromausfälle. Im vergangenen Winter legten Schnee und Kälte die Elektrizitätsversorgung Sloweniens lahm. Knapp eine Million Menschen blieben zeitweilig ohne Strom, nachdem Mitte Januar 2007 Orkan Kyrill über Mitteleuropa gefegt war. Unter extremen Schneemassen knickten im Winter 2005 im Münsterland Hochspannungsmasten wie Streichhölzer um. Tausende saßen tagelang im Dunkeln. An Weihnachten 1999 sorgte der Jahrhundertsturm Lothar für ein Stromchaos. Vor allem in Baden-Württemberg und Frankreich fiel der Strom wegen umgeknickter Strommasten und abgerissener Leitungen aus. Die Schäden im Nachbarland waren teilweise erst Wochen später behoben, Hunderttausende Franzosen saßen wegen ausgefallener Elektroheizungen in kalten Wohnungen fest.
"Ein Stromausfall ist eine unterschätzte Gefahr. Auch weil jeder Lebensbereich früher oder später betroffen ist", warnt RP-Vize Schneider vor Kaskadeneffekten, die nur schwer, wenn überhaupt beherrschbar sind. Im Ernstfall würden sich die Ereignisse innerhalb weniger Stunden dramatisch aufschaukeln. Am Anfang stünden Verkehrschaos durch ausgefallene Ampeln und liegen gebliebene Straßenbahnen, der Ausfall der Wasserversorgung, stecken gebliebene Aufzüge mit eingeschlossenen Personen und, in der kalten Jahreszeit, auskühlende Wohnungen, Büros und Gebäude. Nach sechs Stunden, so das amtliche Katastrophenszenario, fordert ein großflächiger Stromausfall bereits die ersten Todesopfer: In Pflegeheimen ohne Notstromaggregate ersticken die ersten Beatmungspatienten qualvoll.
Nach acht Stunden Blackout spitzt sich die Situation dramatisch zu
"Nach sechs Stunden ist der Staat so stark gefordert, dass keine Zeit für Adhoc-Planungen vorhanden ist", heißt es warnend im Musternotfallplan. Mit anderen Worten: Nach kurzer Zeit haben die Behörden ohne vorher festgelegte und eingeübte Maßnahmen die Lage nicht mehr unter Kontrolle. Wobei die Katastrophe noch längst nicht ihren Höhepunkt erreicht hat. Sie spitzt sich weiter dramatisch zu: Nach acht Stunden fallen wegen Treibstoffmangels die ersten Notstromaggregate in Krankenhäusern aus. Auf den Straßen bleiben immer mehr Fahrzeuge mit leeren Tanks liegen, da die Tankstellenpumpen seit Beginn des Blackouts nicht mehr arbeiten. Rettungsdienste und Polizei stecken in Megastaus in Städten und auf Autobahnen fest. Die Reparaturtrupps der Energieversorger bekommen weitere Probleme: Erste Trafo- und Umspannstationen geben ihren Geist auf, was die Wiederherstellung der Stromversorgung zusätzlich erschwert.
Nach 24 Stunden steigt die Zahl der Todesfälle rapide, weil immer mehr Krankenhäuser über keinen Notstrom für lebensnotwendige Geräte verfügen. Da auch die Entwässerung nicht mehr funktioniert, drohen schnell Seuchen auszubrechen. Sauberes Trinkwasser ist mittlerweile Mangelware. Auch auf dem Land geht so gut wie nichts mehr: Landwirte können wegen des Ausfalls maschineller Fütterungs- und Melkanlagen ihren Tierbestand nicht mehr versorgen.
36 Stunden nach Blackout-Beginn führt allgemeiner Treibstoffmangel zum flächendeckenden Ausfall verbliebener Notstromaggregate. Die Kommunikation bricht weitgehend zusammen, weil selbst Funkstationen nicht mehr betriebsbereit sind. In Kühlhäusern und Supermärkten ist Tiefkühlware unbrauchbar geworden, was die Lebensmittelversorgung nachhaltig stört.
"Die Behörden stehen vor der Situation: Wie helfen wir uns selber, um anderen helfen zu können", warnt RP-Vize Schneider. Dazu gelte es die richtige Vorsorge zu treffen. Unter anderem durch entsprechendes Bewusstsein. Etwa darüber, welche Arbeitsbereiche und Einrichtungen im Notfall weiter funktionieren müssen. "Eine Behörde muss ihren eigenen Handlungsbedarf erkennen", so Schneider. Dies gelte auch für Unternehmen und für die Bevölkerung. "Niemand sollte sich leichtfertig auf die Hilfe Dritter verlassen", unterstreicht Schneider.
Erwartungshaltung der Bevölkerung an staatliche Stellen steigt stetig
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Florian S.
am 27.02.2015Natürlich wäre es der Optimalfall, wenn jedes Gebäude in der Lage wäre,…