"Abbiamo vinto", vermelden die Custodi del bosco d'Arneo, die Hüter des Arneo-Waldes in der Provinz Lecce im süditalienischen Apulien, auf ihrer Facebook-Seite: Wir haben gewonnen. So schön kann bürgerschaftliches Engagement für die Umwelt sein. Fast zwei Jahre haben sie gekämpft für den Erhalt eines alten Steineichenwaldes, der er sich inmitten einer in den 1970er-Jahren gebauten und seit 2012 von Porsche betriebenen, kreisförmigen Auto-Teststrecke befindet. Es ist der letzte, den es in ganz Apulien noch gibt. Mit Hunderten seltener und bedrohter Tier- und Pflanzenarten.
Porsche wollte hier, innerhalb des Rundkurses, sein Testgelände weiter ausbauen. Doch am 28. März gab der Sportwagenbauer aus Stuttgart-Zuffenhausen bekannt, diese Pläne nicht weiterzuverfolgen.
Bis zuletzt hatte auch Robin Wood getrommelt. Noch in der vergangenen Woche hatte die Umweltschutzorganisation um Spenden geworben, um die Reise nach Brüssel zur Übergabe von 40.000 Unterschriften gegen das Vorhaben an die EU-Kommission zu finanzieren. Auf einem Vernetzungstreffen in Stuttgart Anfang April wollten sie das Thema aufgreifen. "Wir können es noch gar nicht fassen, so freuen wir uns", jubeln sie einen Tag nach der Bekanntgabe der Entscheidung. "Die tolle Nachricht, dass der Rennstrecken-Plan aufgegeben wurde, hat Porsche uns gestern Abend persönlich mitgeteilt."
Hat sich Porsche tatsächlich von den Protesten beeindrucken lassen? Sicher, Negativ-Publicity kann das Unternehmen nicht brauchen. Doch nicht nur Robin Wood, auch die Presse erhielt am selben Tag die Mitteilung. "Die jetzige Entscheidung von Porsche", steht da, "ist das Ergebnis einer umfassenden Reflexion sowie intensiver Gespräche mit unterschiedlichen Stakeholdern im Verlauf der vergangenen Monate." Das erklärt noch nicht viel.
Entscheidung lag wohl auch an Renditeerwartungen
"Die Betrachtung umfasste soziale, umweltbezogene und wirtschaftliche Perspektiven", heißt es weiter mit immer noch viel Deutungsspielraum. Erst dann kommt das Kommuniqué auf den Punkt: "Insbesondere das aktuell herausfordernde Umfeld und die sich verändernden Rahmenbedingungen für die weltweite Automobilindustrie spielten eine wesentliche Rolle bei dieser Entscheidung." Das klingt immerhin ehrlich. Aber Ehrlichkeit ist eine moralische Kategorie. Für ein Unternehmen wie Porsche zählt etwas anderes: die Rendite.
Porsche hatte ein paar Tage vorher erst seinen "Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht 2024" vorgestellt, wie sich das heute nennt. "Nachhaltigkeit" bezieht sich hier allerdings weniger auf die Steineichen als vielmehr auf die Anlagen der Aktionäre. Einen "robusten Jahresabschluss" vermeldete das Unternehmen. Doch die Umsatzrendite von 14 Prozent liegt deutlich unter den Erwartungen. Im Vorjahr waren es noch 18 Prozent. Und wer sich weiter nach unten durchliest, erfährt, dass die Rendite im laufenden Jahr auf zehn bis zwölf Prozent zurückfallen soll.
Das heißt noch lange nicht, dass Porsche jetzt in die roten Zahlen gerutscht wäre. Aber das Unternehmen will sparen. In der Terminologie des Geschäftsberichts: seine Strategie weiterentwickeln. Anders gesagt: 1.900 Stellen abbauen und wieder mehr Benziner produzieren, weil Elektro-Sportwagen in China – dessen Politik der Grund für die Umstellung auf Elektroantrieb ist – nicht ganz so gut laufen. Und die Erweiterung der Teststrecke ist auf einmal auch nicht mehr ganz so wichtig.
Regionalpräsident beklagt Verlust von Arbeitsplätzen
Die Entscheidung sei vernünftig und angemessen, meint Gianfranco D'Eramo von der Bürgerinitiative Custodi del bosco d'Arneo auf Kontext-Nachfrage. "Klar, wir sind solange nicht zufrieden, bis die Vereinbarung mit der Region Apulien endgültig aufgehoben wird", ergänzt er und verweist auf den hohen Flächenverbrauch in Apulien. "Im Moment fällt uns nur die Rhetorik mancher Lokalpolitiker ins Auge", so D'Eramo weiter, "die uns vorwerfen, wir würden uns aus ideologischen Gründen dem Fortschritt verweigern und über die gravierenden Auswirkungen, die das Projekt auf unsere Region gehabt hätte, hinweggehen."
Michele Emiliano, der Präsident der Region Apulien, hatte sich so richtig in Porsche verliebt. "Wenn du jemand in dem Moment, wo er bereit steht, auf morgen vertröstest", zieht er selbst in einem Zeitungsinterview den Vergleich – vor einem Jahr hatte er das Projekt auf Druck der EU ausgesetzt –, "besteht immer das Risiko, dass derjenige sich anders entscheidet." Emiliano lässt seiner Fantasie freien Lauf: Wäre das Projekt realisiert worden, so wäre die Waldfläche auf das Fünffache gewachsen, behauptet er und beklagt einen Verlust von 450 Arbeitsplätzen. Aber Porsche hatte 450 Millionen Euro investieren wollen, nicht 450 Arbeitsplätze versprochen.
Robin Wood bleibt misstrauisch: "Es ist klar, dass das Projekt vor allem wegen der Krise in der Automobilindustrie abgebrochen wurde", meint die Mobilitätsreferentin der NGO Annika Fuchs. Sie betont "die dringende Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Transformation des Automobilsektors, die den Umweltschutz gewährleistet, den Klimawandel bekämpft und nachhaltige Arbeitsplätze schafft". Da gibt es gerade bei Porsche noch viel zu tun.
Waldreferentin Jana Ballenthien ergänzt: "In den Gesprächen mit Porsche hat sich das Unternehmen trotz unseres Drängens nicht für den langfristigen Schutz des Waldes ausgesprochen. Deshalb werden wir uns bei der EU-Kommission weiterhin dafür einsetzen, dass Schutzgebiete im Rahmen von Natura 2000 (Netz von Schutzgebieten in der EU, d. Red.) nicht den Interessen von Unternehmen unterworfen werden." Kommende Woche wollen Robin Wood und die Custodi daher nach Brüssel fahren, der Kommission die 40.000 Unterschriften übergeben – und ihren Erfolg feiern.
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