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Grünen-Idee

Öko-Reichsarbeitsdienst

Grünen-Idee: Öko-Reichsarbeitsdienst
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Die Grünen wollen mit dem "Freiheitsdienst" den deutschen Volkskörper stählen. Leider kein Aprilscherz.

Alles klar: Im Ideenwettbewerb um den dümmstmöglichen Vorschlag im Endspiel Kapitalismus führen seit vergangenem Wochenende die Grünen. Nachdem es sogar die Linken aus Mecklenburg-Vorpommern und Bremen im Bundesrat für eine dufte Idee hielten, ein Milliardenpaket für die militärische Aufrüstung Deutschlands zu verabschieden, um Großreichsfantasien im Flecktarn paranoider Sicherheitsbedürfnisse zu unterstützen, meldeten sich die bayerische Grünen-Landtagsfraktionchefin Katharina Schulze und ihr innenpolitischer "Sprecher für queeres Leben", Florian Siekmann, aus dem Schützengraben grüner Aufrüstungsgeilheit mit einem beispiellosen Doppeldenk der Neuen Deutschen Panzerlust. Nachdem sich die vorgeblich friedens- und umweltbewegten Grünen bislang gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht (klingt nämlich voll nazimäßig) verwehrten, hat sich der Wind nun angesichts des gesellschaftlich normalisierten Rüstungswahnsinns gedreht: Jetzt haben pfiffige Grüne in Bayern die unsexy Wehrpflicht einfach in Regenbogenfarben angemalt, ein Peacezeichen drauf gepappt, um zum "Freiheitsdienst" antreten zu lassen.

Ja, werte Connaisseure des gediegenen Brainrots, Sie haben richtig gelesen: Die grünen Kettenraupen aus dem Freistaat haben sich die Düsentrieb'sche Denkkappe aufgesetzt, gebrainstormt, gedengelt und sehr wahrscheinlich auch gepichelt, um der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bio-dynamische Hirnfäule als ihren besten Beitrag zur Lage der Nation zu pitchen: einen verpflichtenden "Freiheitsdienst" [sic!] für alle Menschen zwischen 18 und 67 Jahren, der mindestens sechs Monate dauern soll. Egal ob Männlein, Weiblein, alle dazwischen oder außerhalb, egal ob mit deutschem Pass oder nicht: Alle Freiheitsfreunde mit festem Aufenthalt in Deutschland sollen nach dem Vorschlag der bayerischen Grünen im Verlauf ihres Lebens ganz paritätisch und gendersensibel entweder sechs Monate Wehrdienst, Dienst im Bevölkerungsschutz, bei Hilfsorganisationen, bei der Feuerwehr oder irgendeinen anderen Gesellschaftsdienst ableisten. "Damit wir als Gesellschaft robuster werden, unsere Freiheit verteidigen und das Miteinander stärken, braucht es uns alle", weiß die grüne Freiheits-Taskforce. Wer der Freiheit schon gedient hat, kann sich seine Freiheitszeit anrechnen lassen; wer sich der Freiheit bislang verweigert hat, soll zum Glück gezwungen werden. Denn wenn Deutschland schon einen Blankoscheck zur Freiheitsbestellung, Verzeihung, für milliardenschwere Rüstungsgeschäfte für imperialistische Machtspielchen, hat, muss ja irgendwann auch irgendwer in die ganzen Freiheitspanzer gesetzt werden, die der geschwächten Autoindustrie gerade recht kommen.

Jawoll! Panzer statt Züge

Eine Umfrage unter Automobilzulieferen aus Thüringen hat jüngst ergeben, dass von 190 befragten Zulieferern Dreiviertel hinter vorgehaltener Hand gerne mehr für die Verteidigungsindustrie produzieren wollen würden. Der Rest wollte es nicht zugeben. Ja, wer hätte das gedacht? Ist doch geil! Win-Win! Beim Waggonbau in Görlitz rollen bald schwere Geschütze statt Zugwaggons (wer braucht schon Züge und ÖPNV??) von deutschen Bändern! Nachdem es die deutsche Autoindustrie verkackt hat, rechtzeitig auf Elektromobilität umzusteigen, von den Chinesen abgehängt wurde und deshalb weniger Spitzendividenden an seine Aktionäre auszahlt, kommt auch den Grünen die hiesige Kriegspropaganda gerade recht, um tatkräftig mitzuhelfen, die Paranoia vor den Russen oder den Chinesen, in jedem Fall den Kommunisten (lol) zu befeuern und für deutsche Wirtschaftsinteressen zu instrumentalisieren. Denn das ist es bekanntlich, was in Deutschland mit "Freiheit" gemeint ist: Die Freiheit des Kapitals, wenige Menschen auf dem Rücken von vielen reich zu machen und sie im Zweifel zu Kanonenfutter zu verarbeiten, um seine wirtschaftliche Macht zu erhalten und zu vergrößern. Dabei ist sich der "Sprecher für queeres Leben", Florian Siekmann, nicht einmal zu schade, im völkischen Sprachmülleimer zu wühlen, um seinen Dienst am Kapital ganz unverkrampft mannhaft-nationalistisch anzupreisen: "Der Freiheitsdienst ist viel mehr als der alte Wehrdienst, er zielt auf eine Gesamtverteidigung mit gesellschaftlicher Widerstandskraft." Was genau, warum, gegen wen verteidigt werden muss, sagt er nicht. Aber Landtagsfraktionsvorsitzende Schulze ist sich sicher, dass "die Bedrohungen" zunähmen. Durch wen, weiß auch sie der dpa nicht zu sagen. Ist ja aber auch egal.

Verdammte Kommunisten!

Denn Schulze setzt beim Pitch ihrer reaktionären Hirnfäule zur Mobilisierung wilhelminischer Volkskörpergefühle auf Bauchgefühle – und die Magie der Worte eines großen amerikanischen Freiheitsdienst-Experten mit exzellenten kapitalistisch-imperialistischen Fachkenntnissen: "Es ist an der Zeit, die Frage zu stellen: Was kannst du für dein Land tun?", erklärte die bayerische Grünenchefin der Deutschen Presse-Agentur ganz staatsfrauisch und zitierte damit grob den 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, John F. Kennedy. Einen großen Demokraten, dem das Wohl von Arbeiterinnen und Arbeitern so wichtig war wie dem Tiger die Tränen einer Antilope. Selbst schuld, wenn sie so gut schmecken! "Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann. Fragt lieber, was ihr für euer Land tun könnt", erzählte der Millionärssohn bei seiner Antrittsrede im Jahr 1961 Millionen von Armut betroffenen Amerikanerinnen und Amerikanern, um sie auf die Aufrüstung gegen "die Kommunisten" und Kuba einzuschwören, die es gewagt hatten, US-Unternehmen aus dem Land zu vertreiben, US-Kapital auf der Insel zu enteignen, sich von der erzwungenen Abhängigkeit vom US-Imperialismus zu lösen und dem kubanische Volk Zugang zu günstigen Lebensmitteln und Behausungen, kostenloser Bildung und Gesundheitsvorsorge zu ermöglichen. Diese verdammten Kommunisten! Selbstredend, dass Freiheitsdienst-Experte JFK aus schierer Notwehr einschreiten musste, indem er die Souveränität Kubas mit einem bis heute anhaltenden Handelsembargo untergrub, um Kuba durch Hunger und Verzweiflung wieder an die US-Kandare zu zwingen. Bis heute hält die Handelsblockade an. Seit 1992 wird in der UN-Generalversammlung regelmäßig darüber abgestimmt, die Blockade gegen Kuba aufzuheben. Die einzigen, die das nicht wollen, sind die USA und Israel. "Genial" müssen sich die bayerischen Greenwasher deutscher Machtansprüche gedacht haben. "Was der Kennedy kann, können wir auch!"

Was also kann ich als rechtschaffene Demokratin mit dem "Freiheitsdienst" – dem "Gemeinschaftsprojekt für Deutschland von allen für alle" – für mein country tun? Am besten das Maul halten und mich als Humankapital bis auf die letzte lebende Zelle verwursten lassen. Während die Rechte bislang cool für eine bloße Wiedereinführung der Wehrplicht war und keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen soziale Reformen macht, gehen die engagierten Öko-Patriot:innen aus Bayern noch einen passiv-aggressiven ideologischen Schritt weiter. Denn es muss sich beim "Freiheitsdienst" ja niemand im Morden ausbilden lassen! Wir sind hier schließlich nicht bei irgendwelchen muselmännischen Barbaren! Wem der Dienst an der Freiheitswaffe nicht koscher ist, der kann sich nämlich auch einfach ein halbes Jahr lang freiheitlich zwingen lassen, "Gesellschaftsdienst" zu leisten und sich neonationalistisch indoktrinieren zu lassen! Denn wer seine Nation und dessen Machthaber nicht mit seinem Leben gegen andere Nationen und deren Machthaber verteidigen will, der hat doch die Wahl und kann sich neben dem regulären ökonomischem Lohnarbeitszwang einfach noch on top zu ehrenamtlicher Tätigkeit zwingen lassen, um kapitalistische Hegemonie zu produzieren! Alle zusammen für Deutschland! Gewehrläufe putzen oder Ärsche wischen – ganz egal! Hauptsache für Deutschland! "Durch den Freiheitsdienst verbinden wir Generationen und Milieus, stärken unsere Gesellschaft und verteidigen, was uns wichtig ist". Und was wichtig ist, sollte klar sein: die deutsche Wirtschaft und die Produktion gesellschaftlicher Stahlträger für die Brücken ins vierte Reich.

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13 Kommentare verfügbar

  • Bernd
    vor 3 Wochen
    Antworten
    Sehr schön geschrieben! Danke für den Artikel.

    Ein paar Bemerkungen dazu: Panzer bauen statt Züge? Meiner Meinung nach gibt es das tolle Sondervermögen für Infrastruktur von 500 Milliarden (über 12 Jahre, also nur 41,7/Jahr) unter anderen deswegen, weil Panzer schon rein historisch über Straßen…
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