"Viele Menschen meiden die Debatte. Sie fühlen sich nicht wohl, über diese Dinge in der Öffentlichkeit zu sprechen", meint Sohaila Hakim (Name geändert), eine Doktorandin der Universität Neu-Delhi. "Doch für die gesellschaftliche Entwicklung Indiens ist Aadhaar ein Rückschritt." Aadhaar, Hindi für "Grundlage", lautet der Name der größten biometrischen Datenbank der Welt. Sie speichert nach Angaben der hindu-nationalistischen Regierung Informationen über 1,2 Milliarden Inderinnen und Inder. Damit sind 99 Prozent der Bevölkerung erfasst, jeder bekommt eine zwölfstellige Identifikationsnummer zugeordnet. "Theoretisch hat man die freie Wahl", sagt Hakim, "und kann sich vom System ausschließen." In der Praxis sei das jedoch unmöglich. "Ohne registriert zu sein, kann man nicht einmal einen Brief verschicken", berichtet die Politik-Studentin, "selbst bei der Post wird die Identifikationsnummer aufgenommen, damit der Brief in den Versand geht."
Offiziell soll die Datenbank, die bereits seit 2009 existiert, die Verwaltung in der größten Demokratie der Welt erleichtern und Korruption bekämpfen. Nach Darstellung der Regierung sollen insbesondere die Armen von Aadhaar profitieren, denen ein einfacherer Zugang zu Sozialhilfe ermöglicht werde. Auch Identitätsbetrug soll durch die Datenbank verhindert werden. Gespeichert werden dort nicht nur Name, Anschrift, Telefonnummer und Familienstand – auch biometrische Informationen sind dort erfasst. Dafür werden Fingerabdrücke genommen und die Iris beider Augen gescannt. Inzwischen wird Aadhaar immer häufiger im Alltag benötigt. Problematisch wird es, wenn die Verwaltung die Grundrechte der Bürger verletzt.
Der amtierende Premierminister Narendra Modi, den der <link https: www.tagesspiegel.de politik premierminister-narendra-modi-der-indische-trump external-link-new-window>"Tagesspiegel" als den "indischen Trump" bezeichnet, trat in seinem Wahlkampf noch als Kritiker der Datenbank auf. Vor seiner Machtübername hätte man die Aadhaar-Registrierung tatsächlich noch als freiwillig bezeichnen können, auch wenn der Verzicht mit Einschränkungen verbunden war. Unter der rechtsgerichteten Regierung, die seit 2014 im Amt ist, wurde Aadhaar faktisch zum Pflichtprogramm, insbesondere durch eine umfassende Gesetzesänderung 2016. Für eine Steuererklärung braucht es die Identifikationsnummer ebenso wie für den Eheschluss, oder die Eröffnung eines Bankkontos. <link https: www.deutschlandfunkkultur.de external-link-new-window>Selbst Kinder brauchen eine Nummer, wenn sie sich beispielsweise in einem Fußballverein anmelden möchten.
Während die massive Datensammelwut von Facebook und Google mittlerweile in den USA und in Europa als politische Gefahr diskutiert wird und die Rufe nach staatlicher Regulierung und effektiven Datenschutzgesetzen immer lauter werden, haben sich die nationalistische Regierung in Indien und die mit ihr verbundenen Privatkonzerne eine "nachhaltige Digitalisierungs-Initiative" auf die Fahnen geschrieben. Erst im Januar wurde ein weiteres Vorhaben bekannt: <link http: www.spiegel.de lebenundlernen schule indien-eltern-koennen-bald-unterricht-per-live-stream-ueberwachen-a-1188483.html external-link-new-window>Die Bildungsbehörde in Delhi entwickelt aktuell eine App, mit der Eltern ihre Kinder per Livestream übers Smartphone im Unterricht beobachten können sollen.
3 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 06.01.2019Gleich am Anfang in diesem Artikel mit zwei Fehleinschätzungen aufwarten, das ist schon kunstvolles Handwerk an den TATSACHEN vorbei geschrieben!
Demokratie mit Indien verbinden =…