"Es war der achte März, ein Dienstag, als die Kinder hier ankamen", erinnert sich Frey, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit beim Waldhaus, sie wird diese "Mammutaktion" nicht so schnell vergessen. Die Polizeihochschüler in der alten Böblinger Kaserne machten Platz für die Kinder und Jugendlichen zwischen 4 und 17 Jahren. "Das war ein echter Glücksfall", erzählt Frey, Glück im Unglück, denn "es war zum dem Zeitpunkt mit dem Krieg eh alles schon so tragisch und dann kommen diese schutzlosen Lebewesen hier an."
Kleine Menschen, die die Sprache nicht verstanden, "und ich konnte ja auch kein Ukrainisch", erzählt Fotograf Schmidt. Manchmal aber genügten wohl Emotionen und Gesten zur Kommunikation, sagt er. "Ich bin durch die Hallen gelaufen und hatte immer eine kleine Hand an mir, die mir etwas zeigen wollte."
Es sei ein mords Gewusel gewesen, erzählt auch Vanessa Frey. "Ohne Ehrenamtliche hätten wir das nicht geschafft. Schon allein alle Kinder ins Bett zu bringen, ist eine echte Aufgabe." Weil kleine Menschen ganz andere Bedürfnisse haben als große, haben die Jugendarbeiter:innen die Erstversorgung über Spenden organisiert. Kleidung, Spiele, vor allem Kinderstühle, denn die Stühle in der Polizeihochschule seien alle für Erwachsenen gewesen, sagt Frey, "das sind die Kleinen runtergerutscht". Die Spendenbereitschaft der Böblinger:innen und darüber hinaus sei überbordend gewesen, "eine tolle Erfahrung". Irgendwann habe sogar jemand angerufen, der Stofftiere aus der Nachbarschaft gesammelt habe – eine ganze Garage voll.
Seit Sommer vergangenes Jahr sind die Kinder in Weil der Stadt untergebracht und werden dort betreut. Hans Artschwager, Geschäftsführer des Waldhauses, hat dafür 14 neue Mitarbeitende eingestellt, teils selbst aus der Ukraine Geflüchtete mit entsprechender Ausbildung im Betreuungsbereich, Leute, die die Sprache können, den Tagesablauf begleiten, es gibt eine Art Kindergarten und einen kleinen Schulbetrieb. An den Abenden und Wochenenden kommen Ehrenamtliche zur Unterstützung. Die Zukunftsaussichten der Kinder und jungen Menschen? Artschwager nennt sie eine "Herausforderung". "Wir versuchen für jedes einzelne Kind zu kucken, was es braucht", sagt er. Aber allein Plätze an öffentlichen Schulen zu finden, sei momentan nicht einfach.
Aus den Bildern, die Wolfgang Schmidt über die Zeit gemacht hat, ist eine eindrucksvolle und emotionale Fotoserie geworden. Gemeinsam mit der Grafikerin Birgit Egenter und dem Texter Roy Bien hat er eine Wanderausstellung konzipiert und auf Reisen geschickt. Und weil sich seit deren Ankommen so viele Ehrenamtliche mit Herz und Hand für die Kinder einsetzen, ist diese Ausstellung auch ihnen gewidmet.
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