Das Problem ist nicht erst durch die Flüchtlingskrise entstanden: Immer schwieriger wird es für Arbeitslose, Rentner, Studierende und Menschen mit niedrigem Einkommen, in einer Stadt wie Stuttgart eine bezahlbare Wohnung zu finden. Je mehr Menschen suchen, desto stärker steigen die Preise. Die unsichtbare Hand des Marktes treibt alle, die keine Wohnung finden, in die Randlagen, ins Umland oder auf die Straße – ohne Wohnbauförderung eine aussichtslose Situation.
Dabei verdanken einige der wichtigsten Akteure wie die Stuttgarter Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft (SWSG) sowie eine ganze Reihe ursprünglich gemeinnütziger Unternehmen, Genossenschaften und Vereine, die bis heute zu den größten Vermietern gehören, ihre Entstehung eigentlich der Wohnungsnot. In ihren Satzungen ist festgehalten, dass sie sich um bezahlbaren Wohnraum kümmern. Bei näherer Betrachtung besteht ein Großteil des Stadtgebiets, etwa weite Teile des Stuttgarter Ostens oder des Vororts Weilimdorf, aus Siedlungen, die gezielt erbaut wurden, um Einkommensschwachen eine Bleibe zu stiften.
Die schlimmste Zeit, von den beiden Weltkriegen abgesehen, waren die 1920er- und 1930er-Jahre. Die Inflation hatte 1923 Sparer enteignet und Grundbesitzer reich gemacht. Ausgelöst durch die französische Besetzung des Ruhrgebiets, druckte das Deutsche Reich Banknoten, was das Zeug hielt. Nach der Inflation ging die Konsolidierung auf Kosten der Arbeitnehmer – 1926 war mit 2,2 Millionen Arbeitslosen ein vorläufiger Höchststand erreicht –, aber auch des Mittelstands und der Beamten, die Stellenstreichungen und Gehaltskürzungen hinnehmen mussten.
Und es kam noch dicker: Nach dem New Yorker Börsencrash im Oktober 1929 geriet die Weltwirtschaft ins Trudeln, 1932 war jeder dritte Deutsche arbeitslos. Zwar gab es seit 1927 eine Sozialversicherung, die half aber nur wenigen. Es fehlte an allem, nicht nur an Wohnungen. Die dritte Notverordnung des Reichskanzlers Brüning sah 1931 die Förderung von Kleinsiedlungen in Randgebieten vor. Mit verhältnismäßig niedrigen staatlichen Zuschüssen sollte die Wohnungsnot durch "Seßhaftmachung der Bevölkerung auf dem Lande" gelindert werden, um Arbeitslosen und Kurzarbeitern durch Kleintierhaltung und Gartenbau "den Lebensunterhalt zu erleichtern".
Solche Nebenerwerbssiedlungen gab es auch noch in der Nachkriegszeit. Vor allem Ostvertriebene, die von der einheimischen Bevölkerung oftmals angefeindet wurden, erhielten die Möglichkeit, sich in der ersten Zeit durch Subsistenzwirtschaft über Wasser zu halten. Siedler aus Osteuropa waren das Anpacken gewohnt und griffen zur Selbsthilfe.
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Demokrator
am 25.05.2016