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Transparenzgesetz

Mehr Licht

Transparenzgesetz: Mehr Licht
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Was Informationsfreiheit angeht, liegt Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich deutlich zurück. Ein neues Transparenzgesetz soll dies ändern – doch Teile der CDU wollen das verhindern.

Viel steht auf dem Spiel, da sind alle seriösen Fachleute einig: der Durch- und Einblick in Verwaltungshandeln, in umstrittene Entscheidungen vor Ort in Kommunen, in Landesregierungen oder im Bund. Es geht um das gegenseitige Verstehen, die offensive Information der Bürger ebenso wie um Auskünfte zu Umwelt- und Verbraucherfragen oder Auskünfte ganz grundsätzlich an Journalist:innen. Es geht, kurz, um Transparenz und damit letztlich auch um Vertrauen. Seit Jahren kämpfen Organisationen wie die Open Knowledge Foundation Deutschland e. V. (OKFDE) in Berlin dafür, dass all jene, die privat oder beruflich an Vorgängen interessiert sind, einen direkten Zugang zu behördlichem und zu Regierungshandeln bekommen – und zwar so niederschwellig wie möglich. Die OKFDE unterhält bereits seit 2011 das Internetportal "FragdenStaat.de". Ziel sei, heißt es in einer Selbstdarstellung, "nicht ewig die gleichen Kämpfe auszutragen", sondern Impulse zu geben "für einen langfristigen und nachhaltigen Wandel zu einer transparenten Kultur".

Was den Kulturwandel angeht, hat sich in den letzten Jahren durchaus einiges getan. Organisationen, Bundesministerien oder Länder haben leichtere Zugangsmöglichkeiten zu Informationen geschaffen. Baden-Württemberg wollte vor vier Jahren noch dazugehören. "Wir werden auf Basis der Evaluationsergebnisse das Landesinformationsfreiheitsgesetz zu einem Transparenzgesetz weiterentwickeln, das einen angemessenen Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung gewährleistet und eine sachgerechte, proaktive Veröffentlichung von Daten vorsieht", heißt es im Kapitel "Inneres und Verfassung" des im Frühjahr 2021 verabschiedeten Koalitionsvertrags der grün-schwarzen Landesregierung.

Eine Evaluierung liegt vor, doch Strobl will eine neue

Was in Sachen Transparenz möglich und was wünschenswert ist, ist längst bekannt. Erste Evaluierungsergebnisse liegen seit inzwischen vier Jahren vor. Stefan Brink, der damalige Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LfDI), warb für die Einsicht in die Tatsache, dass die Latte für Veränderungen in Baden-Württemberg besonders hoch liegt. Weitreichende Verbesserungen wurden vorgeschlagen und zugleich Erläuterungen geliefert, warum die nötig sind. Die Handlungsempfehlungen seien von derart "umfassend und tiefgreifender Art", weil das Land schon 2015 – mit seinem von Grün-Rot verabschiedeten ersten Informationsfreiheitsgesetz überhaupt – hinter den bundesweit erreichten Standards deutlich zurückgeblieben sei. Ein Abstand, der immer größer geworden ist. Denn andere Bundesländer haben ihre Regelungen inzwischen fortentwickelt, anders als Grüne und CDU für den Südwesten.

Die 17 Seiten der Evaluierung reichten vor allem den Skeptiker:innen aber nicht aus, um eben solchen weitreichenden Verbesserungen zuzustimmen. Das von Thomas Strobl (CDU) geführte, für Digitalisierung und Kommunen ebenfalls zuständige Innenministerin des Landes wurde mit einer weiteren Evaluierung beauftragt. Und deren Stand ist selbst innerhalb der Koalition nicht transparent. Seit vielen Monaten, beklagen Grüne, gebe es trotz regelmäßiger Anfragen keine Auskünfte über den Zeitplan. Gerüchte, bis zur Sommerpause könnten unter den Koalitionspartner doch noch Einzelheiten verhandelt werden, mochte auf Kontext-Nachfrage niemand bestätigen. Dabei erinnert der Brink-Nachfolger Tobias Keber die beiden Regierungsfraktionen fast flehentlich an ihr Versprechen: "Selbst auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen – nehmen Sie den Faden wieder auf." Baden-Württemberg sei bundesweit in vielen Bereichen führend, stark bei Innovation, besonders bei KI. Beim Thema Transparenzgesetz hingegen "laufen wir im interföderalen Vergleich im hinteren Drittel – gemeinsam mit Bayern und Niedersachsen".

Landtag uninteressiert, CDU-Medienexperte larmoyant

Das war im vergangenen Oktober, als Keber seinen ersten Jahresbericht im neuen Amt des Landesdatenschutzbeauftragten vorlegte. Der Plenarsaal des Landtags in Stuttgart war am späteren Donnerstagnachmittag nicht wirklich gut gefüllt, das Interesse selbst der Anwesenden mäßig. Gerade in den Reihen der CDU fehlte obendrein die Bereitschaft, sich argumentativ mit Kebers Appell auseinanderzusetzen. Guido Wolf (CDU), der frühere Landtagspräsident und Spitzenkandidat seiner Partei 2016, inzwischen Medienexperte, zeichnete das Bild einer möglicherweise sogar "gelähmten Verwaltung" durch den Informationsanspruch der Bürgerschaft. Wolf problematisierte konkret "FragdenStaat", weil die Plattform in der Vergangenheit zu Verunsicherungen geführt habe, "die bis zu uns Abgeordneten vorgedrungen sind". Informationspflichtige Stellen hätten sich nicht mehr zu helfen gewusst, behauptete Wolf.

Auch Strobl vermied jede Festlegung zu dem, was er selbst 2021 im Koalitionsvertrag ausverhandelt und unterschrieben hatte. Über Änderungen im Informationsfreiheitsrecht zugunsten der Bürgerinnen und Bürger, so der Innenminister, "kann durchaus kontrovers diskutiert werden". Nein, kann nicht. Alle Fortschritte zum Stand der Dinge sind – wie könnte es anders sein – transparent im laufend aktualisierten Deutschland-Ranking dargestellt (Informationsfreiheit in Deutschland – Das Transparenzranking). Einzelheiten über Rechte und Pflichten, Ausnahmen, die Art der Antragstellung oder Gebühren sind per Klick abrufbar. Moniert wird für Baden-Württemberg unter anderem die eng begrenzte Zahl der Einrichtungen – darunter Landtag oder Rechnungshof –, die überhaupt informieren müssen. Dass die Gebühren für Auskünfte der Kommunen zu hoch sind. Und dass Behörden viel zu selten von sich aus aktiv werden.

Sachsen und Thüringen zeigen, wie's geht

Da kommt wieder Keber ins Spiel, der sich, wie schon sein Vorgänger, für ein Transparenzportal ins Zeug legt. Belegen kann er die Vorzüge mit praktischen Beispielen aus Sachsen mit seiner CDU-geführten Landesregierung, oder aus Thüringen. Verantwortliche sind zur Diskussion Anfang Juni nach Esslingen geladen, um ihre durchweg positiven Erfahrungen darzulegen. In Sachsen bringt das Gesetz über die Transparenz von Informationen im Freistaat (Sächsisches Transparenzgesetz – SächsTranspG) seit bald zweieinhalb Jahren mehr Licht ins Dunkel. Auf Antrag bekommt "jede Person unabhängig von ihrem Wohnsitz, ihrer Staatsangehörigkeit und ihrer Beteiligung in einem konkreten Verwaltungsverfahren Zugang zu Informationen sächsischer Behörden". Der nächste Halbsatz ist entscheidend: "Soweit dem keine Ausnahme entgegensteht." Für Baden-Württemberg, das geht auch aus der LfDI-Evaluation hervor, ist dieser Ausschluss-Katalog viel zu weit gefasst. Ausnahmen sollten bei einer Neuregelung deshalb auf ein Minimum begrenzt werden.

Auskunftspflichten gibt es ohnehin, nach den Informationsfreiheitsgesetzen der Länder, wie auch Baden-Württemberg eines hat, nach dem Umwelt- oder dem Verbraucherinformationsgesetz. Thomas Hentschel, zuständiger Fachpolitiker in der Landtagsfraktion der Grünen, tut die Bedenken zwar nicht einfach ab. Er habe Verständnis dafür, dass auf kommunaler Ebene mit einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand für ein Portal gerechnet werde, "der gerade jetzt schwer zu schultern ist, in Zeiten, in denen die kommunalen Kassen eher leer sind", sagt er. Andererseits zeigten andere Länder, darunter Rheinland-Pfalz, Hamburg und Schleswig-Holstein, dass solche Projekte zu schultern sind. Auch Hentschel betont die Vorteile, die Sachbearbeitung von Vorgängen könne schon allein deshalb viel schneller und effizienter funktionieren, weil ohne Aufwand auf Vergleichsfälle zurückgegriffen würden. Der Medien- und Digitalexperte aus dem Wahlkreis Rastatt führt außerdem den immer wichtiger werdenden Umgang mit Künstlicher Intelligenz ins Feld. Wenn Verwaltungshandeln durch KI unterstützt werden solle, sei es wichtig, diese anhand von vorhandenen internen Verwaltungsdaten zu trainieren.

Gerade die kommunalen Spitzenverbände wollten solchen Argumenten bisher nicht folgen. Der Schlüssel liegt nicht nur nach Meinung der Grünen, schon allein der doppelten Zuständigkeiten wegen im Innenministerium. Zumal Anfänge bereits gemacht sind. Unter www.daten-bw.de stellt die Landesregierung Information öffentlich zur Verfügung. Die Zahl der Datensätze ist noch überschaubar, die Bandbreite unterstreicht aber auch die Ausbaumöglichkeiten: von Freiburger Gaststätten, die auch Nicht-Gäste die eigenen Toiletten benutzen lassen, über die Standorte von E-Landeparkplätze in Mannheim bis zu einem schlagkräftigen Beispiel für die Information hunderter oder noch mehr Interessierter: Die Voraussetzungen für das Führen einer Schreckschuss-, einer Reizstoff oder einer zugelassenen Signalwaffe abzufragen, das ist leicht fasslich und geht mit drei Klicks.

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