Das Experiment rangiert irgendwo zwischen beeindruckend und erschreckend: eine Gruppe Schüler:innen des Max-Born-Gymnasiums hat für "Jugend forscht" einen Pizza-Karton entwickelt, der keine PFAS enthält. PFAS, mittlerweile weiß man das, sind schwer bis gar nicht abbaubare Ewigkeitschemikalien, für die Industrie sind sie nicht mehr wegzudenken, weil sie unter anderem Flüssigkeiten abweisen. Im weitesten Sinne haben die Schüler:innen Pappmaché mit verschiedenen Stoffen beschichtet, Agar-Agar war nichts, funktioniert haben aber Glycerin und Stärke. Die Power-Point an der Wand vermerkt, "kein Öl" sei auf die Rückseite durchgesickert. Dicht.
Allerdings konnten die jungen Forschenden im Pizza-Karton ohne PFAS viel mehr der Ewigkeitschemikalien nachweisen als im originalen mit PFAS. Weil, sagt die Schülerin Maria Zatykina, die das Ganze vorstellt, die Gruppe in der Schule nicht steril arbeiten konnte. Und so waren beim Experiment Einmalhandschuhe involviert und Flüssigkeiten aus Plastikflaschen, "außerdem haben wir PFAS überall an uns: auf der Haut, im Gesicht, an unseren Klamotten", sagt die Schülerin. Auf der Power-Point steht: "Befindet sich überall (sogar Antarktis)". Für sie persönlich sei das ein beunruhigendes Zeichen.
Die Gäste auf dem Podium in Eberbach klatschen einigermaßen überrascht von diesem Ergebnis. Organisiert haben den Abend die Grünen-Kreisverbände Rhein-Neckar, Odenwald und Heilbronn, Titel: "Dirty Deal mit unserer Gesundheit und Natur – PFAS-Skandal". Es sei eine besondere Veranstaltung, sagt Ralf Frühwirt, Sprecher der Kreistagsfraktion Rhein-Neckar, selten hätten sich mehrere grüne Kreistagsfraktionen zusammengetan, "das ist Baden-Württemberg-weit die erste gemeinsame Veranstaltung überhaupt". Weil das Thema so wichtig sei. Er selbst habe mit PFAS Bekanntschaft gemacht beim Verkauf eines Grundstücks, der Investor habe da gegraben und festgestellt: komplett PFAS verseucht. So sehr, dass die Entsorgung den gesamten Erlös aus dem Verkauf gefressen habe.
Gesund klingt das alles nicht
Keine 300 Meter entfernt fließt der Neckar an der hübschen Gemeinde vorbei, Lebensader Baden-Württembergs. 40 Kilometer südöstlich am Fluss entlang liegt Bad Wimpfen und da am Ufer steht die Firma Solvay, die jeden Tag 24 Kilo TFA in den Fluss leitet, behördlich genehmigt, bis 2044. Einen PFAS-Stoff, der zum Beispiel Medikamente davor schützt, sich vor Berührung mit Speichel oder Magensäure aufzulösen und im Verdacht steht, Krebs zu erregen, zumindest negativen Einfluss auf die Fertilität zu haben. Mehrere Artikel von Kontext-Autor Gunter Haug sind dazu bereits in Kontext erschienen.
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