Der Große Sitzungssaal füllt sich langsam an diesem Doppelwahlsonntag. Lockere Grüppchen, sortiert nach Parteifarben, warten an den runden Tischen. Die einen, die Vertreter:innen der bürgerlichen Fraktionen, in ziemlich froher Erwartung, die anderen, die für die öko-soziale Mehrheit stehen, in eher bangem Hoffen. Dann, kurz nach 18 Uhr, flimmert die erste bundesweite EU-Hochrechnung über die Großbildleinwand. Der erste, der schwarze Balken baut sich auf, verhalten zufriedenes Murmeln, nach dem zweitem, dem roten, Stöhnen unter Genoss:innen, nach dem dritten, dem grünen, ein Riesenjubel unter den CDU-Granden der Stadt. Fraktionschef Alexander Kotz, Parteivorsitzender Malliaras Thrasivoulos, Regionalrätin Elisabeth Schick-Ebert und Pressesprecher Arthur Roussia kriegen sich kaum ein vor lauter Begeisterung über den Dämpfer für die Grünen. Die Partei also, mit der zusammen sie seit acht Jahren Baden-Württemberg regieren.
Der Grund ist eine in der Kommunalpolitik sonst eher unbekannte Unversöhnlichkeit. Seit Frank Nopper im Februar 2021 Oberbürgermeister von Stuttgart wurde, versucht sich die CDU einzureden, sie könne auch Großstadt. Die gut 23 Prozent dort belegen, dass sie drei Viertel der wahlbereiten Bevölkerung eben gerade nicht erreicht hat. Der OB, der die reichlich plumpen Plakatparolen ("Komm' aus Deiner linken Ecke", "Gesunder Menschenverstand statt Grün-Linker Bevormundung", "Stuttgart lass Dir das Auto nicht verbieten") offensiv mitgetragen hat, wähnt sich im Gemeinderat als Zünglein an der Waage. Da wird er wenig zu tun haben in den kommenden Jahren, denn die Mehrheit steht, wenn Grüne, Rote, Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) und all die anderen auf der linken Seite im Rat eine gemeinsame Gestaltungskraft aufbringen.
Leerstände, Megastaus und fehlende Konzepte
Und erst einmal braucht es überhaupt kein Zünglein, sondern eine Entschuldigung. Für die Kampagne, für die Stimmung, die vorsätzlich erzeugt worden ist. Dabei baut Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im Bemühen um Harmonie Brücken im Landtag bis zur Verzwergung eigener – so wichtiger – Positionen wie den Kampf gegen die Erderwärmung, für eine Energie- und Mobilitätswende oder eine humane Flüchtlingspolitik. Ob die Stuttgarter CDU im Gemeinderat diese Brücken beschreiten will, steht in den Sternen. Ebenso die Antwort auf die Frage, ob eine verantwortungsvolle, weil kompromissbereite Zusammenarbeit zum Wohl der Stadt in den nächsten fünf Jahren überhaupt möglich sein kann.
3 Kommentare verfügbar
gerhard manthey
am 13.06.2024