Gegen die AfD herrsche "eine regelrechte Pogromstimmung", ist sich auch Christina Baum sicher, ehemalige Landtagsabgeordnete in Baden-Württemberg und seit 2021 im Bundestag. Die Zahnärztin und Vertraute von Björn Höcke, Wahlkreis Odenwald-Tauber, hat es während Corona zu bundesweiter Bekanntheit gebracht, ihr Kampf gegen die "sogenannte Impfung" war ihr Auftrieb. Zum Stichwort "Remigration" sagt sie auf der Bühne der Barbara-Künkelin-Halle: Es brauche in einer Gesellschaft Menschen mit Idealen, die gegen den Strom schwimmen. Was vom Ansatz her gut zu diesem Veranstaltungsort passt.
Barbara Künkelin und die Weiber von Schorndorf
Namensgeberin Barbara Künkelin war auch eine, die gegen den Strom schwamm. Als sie 1688 hörte, dass dem französischen General Comte de Mélac im Pfälzischen Krieg die Festung in Schorndorf übergeben werden sollte, rief sie die Frauen im Ort zusammen, stürmte mit ihnen das Rathaus und verhinderte die Übergabe. Sie ging als Anführerin der "Weiber von Schorndorf" in die Stadtgeschichte ein. Es gibt sogar einen Barbara-Künkelin-Preis, der seit 1983 an Frauen für Leistungen verliehen wird, "die gegen den Zeitgeist, jedoch sinnvoll, wichtig, innovativ und in die Zukunft gerichtet sind".
Im vergangenen Jahr beispielsweise an die Tübinger Ärztin Lisa Federle für ihren Einsatz gegen Corona, für Test- und Impfstrategien. Oder an die Fernsehmoderatorin Dunja Hayali: "Sie ist eine leidenschaftliche Streiterin für Weltoffenheit und Toleranz; ein Vorbild in Sachen Zivilcourage; eine prominente und geachtete Stimme im Kampf gegen den Rechtsextremismus", hieß es 2021 in der Laudatio. Auch die Journalistin Anja Reschke stand schon auf dieser Schorndorfer Bühne. Für ihren vielbeachteten "Tagesthemen"-Kommentar im Januar 2015 über die Hetze gegen Geflüchtete und gegen das Vergessen der deutschen Schuld an der Shoah.
Nun steht da Jürgen Braun, menschenrechtspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Wahlkreis Waiblingen, und schimpft wie ein Rohrspatz. Erwartbar über Windräder im Schurwald, E-Autos und "diese linken Typen und die Medien", sie seien die Verharmloser des Holocaust. Marc Jongen, Wahlkreis Neckar-Zaber und mit drei Staatsbürgerschaften einer, der sich aussuchen kann, wohin er im Falle des Falles remigriert wird, hat als Ober-Antisemitin Claudia Roth ausgemacht, auch das ein arg abgehangenes Feindbild. Jongen gilt als Partei-Philosoph und beklagt, dass sich Kinder zu Fasching nicht mehr als Indianer verkleiden dürften und es keine Mohren-Straßen mehr gebe. Gähn.
Malte Kaufmann, Wahlkreis Heidelberg, versteigt sich kurz darauf in eine persönliche Geschichte: Er spiele im FC Bundestag mit, auf "rechts außen" – haha – und im Oktober, nach dem Hamas-Angriff, war Solidaritätsspiel gegen den jüdischen Verein TuS Makkabi Berlin. Nach dem Match hätten die Spieler gefragt, welcher Partei Kaufmann denn entsprungen sei. AfD, antwortete der. Und die Fußballer hätten "unisono" gesagt, er sei der Richtige: "Sie sind der Politiker, der uns schützt." Eine Anfrage beim Berliner Fußballverein ergibt: glatt gelogen.
Die Verunsicherung scheint groß
Nahezu alle Redner versichern an diesem Abend inbrünstig: Niemals wolle die AfD alle Migrant:innen abschieben, schon gar nicht die mit deutschem Pass! Oder solche, die Steuern zahlen! Die sich an das Grundgesetz halten! Die Berichterstattung über die Potsdamer Pläne sei gelogen, erfunden, übertrieben, aus dem Zusammenhang gerissen, was alles ziemlich hilflos klingt. Einer der Redner beklagt sich, dass er mittlerweile ständig AfD-Wähler:innen am Telefon habe, die Sorge hätten, auch bald aus dem Land geworfen zu werden. Die Verunsicherung sei groß, sagt er.
2 Kommentare verfügbar
Nico
am 01.02.2024Dahinter spürt kann man die Agressionen und den Haß.... 'Das alles' wird zum Vorschein kommen, sobald "Macht" ergriffen ist..... Das sind meine ganz…