"Nach rechts, marsch, marsch", kommentierte Heribert Prantl in der "Süddeutschen Zeitung". Das war vor drei Jahrzehnten, als sich in Deutschland eine überparteiliche Einigung für eine radikale Verengung des Grundrechts auf Asyl abzeichnete. Im Mai 1993 stimmte der Bundestag mit den Stimmen von CDU, FDP und SPD tatsächlich für den neuen Artikel 16: Wer aus einem "sicheren Drittstaat" einreiste, sollte den Anspruch auf Asyl verwirkt haben – de facto also sollte Deutschland, weil nur von solchen umgeben, frei werden von Bewerber:innen. Nur ein Jahr danach runderneuerte die CDU zum ersten Mal ihr Grundsatzprogramm. "Wir bekennen uns zum verfassungsmäßig garantierten Recht auf Asyl für politisch Verfolgte; der Missbrauch dieses Rechts muss aber verhindert werden", steht da auf geduldigem Papier zu lesen. Sogar eine Binse war der Erwähnung wert: "Deutschland und die Europäische Union können aber nicht allen Zuwanderungswilligen eine Heimat geben." 2007 wiederum fand ins dritte Grundsatzprogramm das Versprechen Eingang, dass "die Bundesrepublik zahlreichen Menschen aus humanitären Gründen Zuflucht gewährt, wie es der aus unserem christlich geprägten Menschenbild entspringenden Verantwortung entspricht".
Jetzt stehen bei der Union "der große Grundsatzprogramm-Konvent 2023" vor der Tür und die Zeichen auf Polarisierung. Baden-Württembergs CDU-Landeschef Thomas Strobl war schon vor inzwischen fast fünf Jahren dafür, "inhaltlich zuzulegen". Die damalige Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer nahm die Forderung auf, zur Verabschiedung kam es allerdings nicht mehr. Es verlangt keine Phantasie, sich vorzustellen, dass ein Programm 2019 anders ausgesehen hätte als der jetzt gemeinsam mit der Parteibasis erarbeitete Entwurf. Die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage unter den Mitgliedern wurden präsentiert: Jeweils rund achtzig Prozent übersetzen das C im Parteinamen mit "Freiheit", mit "die Würde des Menschen schützen" und mit "Respekt, Anstand und Fairness". Nur 35 Prozent halten für "sehr wichtig", dass sich die Politik "an christlichen Werten und Überzeugungen" orientiert.
Einen Shitstorm von der Basis braucht also nicht zu befürchten, wer in ausländerpolitischen Fragen zündeln will. Etwa der Heilbronner Bundes- und frühere Landtagsabgeordnete Alexander Throm, wenn er seinen auf den Solarplexus des C zielenden Instrumentenkasten auspackt und Ideen recycelt, die er schon 2019 nicht durchsetzen konnte. Dazu zählen verschärfte Regeln bei der Rückführung abgelehnter Asylsuchender unter Einschluss von Ausreisegewahrsam von bis zu 28 statt bisher zehn Tagen, weniger Entwicklungshilfe für Herkunftsländer, die ihre Staatsangehörigen nicht zurücknehmen, Binnengrenzkontrollen innerhalb der EU und eine Dienstpflicht für anerkannte Asylbewerber:innen.
1 Kommentar verfügbar
chr/christiane
am 09.06.2023Anträge an der EU-Außengrenze--und wer keine Flüchtlinge aufnehmen will--zahlt.
Das hätte ich noch nicht einmal Herrn Seehofer zugetraut.
Und sollte Deutschland keine Flüchtlinge mehr aufnehmen können--weil wir das nicht mehr schaffen und…