Busfahrten im Stadtgebiet kosten einen Euro, die Monatskarte 14,35 Euro. Das kann sich die Stadt problemlos leisten. Allerdings kritisiert Hofbauer, dass Pendler:innen von außerhalb mehr zahlen. 33.500 Einwohner:innen hat Biberach, mehr als 20.000 pendeln täglich in die Stadt hinein. Mit einem attraktiveren ÖPNV ließe sich der tägliche Stau vermeiden und die Umwelt entlasten. "Als Linke sind wir mit unseren Vorschlägen auf ziemlich verlorenem Posten", bedauert Hofbauer. "Solange du konservative Mehrheiten hast, geht nichts", sekundiert Heidenreich, fügt allerdings hinzu: "Außer mit einigen in der Verwaltung."
Warum tun sie sich das an, wenn doch kaum eine Chance besteht, für die eigenen Vorstellungen Mehrheiten zu finden? "Man erfährt nun mal viel im Gemeinderat", argumentiert Ulrich Widmann, bis vor wenigen Jahren Kreisrat, der mit Benedikt Kellerer später dazu gestoßen ist. Nun ist fast der gesamte Kreisvorstand versammelt. Widmann, über 80, war zwanzig Jahre lang Gemeinderat der SPD in Riedlingen. Wegen Gerhard Schröder hat der Oberstudienrat die Partei verlassen und saß von 2009 bis 2019 für die Linken im Kreistag.
"Wenn I an en Stehtisch na geh‘, dann fanget die a, übers Wetter zu schwätzen", wendet Heidenreich ein. Widmann kennt aber noch einen anderen Grund: "Alle von uns hier sind auch anderweitig engagiert, in der Gewerkschaft, beim Nabu oder beim BUND …" Schaaf beispielsweise ist Vorstand der Schutzgemeinschaft Herrschaftsholz, die sich gegen den geplanten Kiesabbau in einem Wald nordöstlich von Biberach wehrt.
Der gelernte Fleischermeister und Einzelhandelskaufmann hat auch für den Bundestag und mehrere Bürgermeisterposten kandidiert: ohne große Chancen, aber er sieht es als eine Gelegenheit, auf die Anliegen der Biberacher Linken aufmerksam zu machen. Hofbauer und er sind auch im Friedensbündnis engagiert. Beim Ukraine-Konflikt gehen die Ansichten auseinander. Widmann, Oberstleutnant der Reserve, sagt, man müsse sich auch verteidigen können. Für Gerhard Schröder hat er allerdings "inzwischen fast schon wieder Sympathie, weil er nicht kuscht."
"Julia, I han di g’wählt"
Widmann ist 2019 nicht wieder in den Kreistag eingezogen. Das Problem: Die Linken haben nicht genug Kandidat:innen. Früher konnte man in mehreren Wahlkreisen antreten und so trotzdem Stimmen sammeln. Das geht neuerdings nicht mehr. Auch in der Gemeinderatswahl müssen, damit eine vollständige Liste zusammenkommt, bei 32 Sitzen mindestens elf Bewerber:innen zusammenkommen, da jede:r nur mit maximal drei Stimmen gewählt werden kann. Die sechs Aktiven müssen also nochmal so viele weitere dazu gewinnen, um auch in der nächsten Wahl 2024 eine reelle Chance zu haben.
Julia Nagy könnte dabei eine wichtige Rolle spielen. Mit 24 Jahren ist sie bedeutend jünger als fast alle anderen. Sie ist zudem die einzige Frau im Kreisvorstand. Seit vier Jahren Mitglied der Linken, entschied sie sich im März für den Vorsitz zu kandidieren. "Eine spontane Entscheidung", sagt sie. Schaaf hatte aber auch schon seinen Hut in den Ring geworfen. Es kam zu einem Patt. Seitdem gibt es eine Doppelspitze. "Julia, I han di g’wählt", versicherte ihr Schaaf nach der Wahl. "I di au", antwortete sie.
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