Die Landeszentrale für politische Bildung (LpB) hatte dieser Tage zum Web-Talk geladen, einem Termin, der wie gemacht ist für alle Wahlkampf-StrategInnen. Die Kommunikationswissenschaftlerin Catharina Vögele beschrieb bei dieser Gelegenheit Wert und Wahrnehmung solcher Veranstaltungen, die als "Elefantenrunden" seit Mitte der Sechziger Jahre Tradition haben im Bund und später in den Ländern. In Baden-Württemberg erstmals für größere Furore sorgte die – übrigens fast drei Stunden lange – Fernsehrunde 1984 mit dem jungen, noch unbekannten Fritz Kuhn im SWR. Schon bei der Begrüßung erleben er genauso wie die ZuschauerInnen die ressentimentgeladene Abwehrhaltung des Moderators Emil Obermann. Immerhin parierte der spätere Bundesvorsitzende der Grünen und Stuttgarter Oberbürgermeister die Attacken so, dass der schwarze Ministerpräsident Lothar Späth schon bei diesem allerersten Zusammentreffen angetan war von dem aufstrebenden Linguisten.
Damals wie bei den vielen anderen Gelegenheiten steht und fällt der Erfolg mit der richtigen Dosierung: werben für sich selber und zugleich für die Positionen der eigenen Partei; die Angriffe der anderen geschickt kontern und Steilvorlagen verwandeln, ohne überheblich zu wirken; markante große Linien ziehen und die thematische Gunst der Stunde richtig nutzen. Die Südwest-SPD ist lange nicht darüber hinweggekommen, wie Nils Schmid, ihr dynamischer Spitzenkandidat mit dem Doktoranden-Image, 2011 nach Fukushima überholt wurde vom behäbigen Winfried Kretschmann.
Aufmerksamkeit brachten den KandidatInnen vor zehn Jahren auch die After-Partys nach Podiumsdiskussionen, zu denen Zeitungshäuser, der SWR oder Verbände geladen hatten. Vor dem 11. März, dem Tag der nuklearen Katastrophe in Japan, liefen alle ähnlich ab. Schmid und der CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus, den er ablösen wollte, waren als interessante Gesprächspartner umringt von vielen. Der grüne Kandidat stand immer abseits und beobachtete das Geschehen. Nach den Kernschmelzen rückte Kretschmann in den Mittelpunkt, so sehr, dass er sich sogar rechtfertigen musste gegen den Vorwurf, jetzt zu allem Überfluss sogar noch von den Anti-Atomkraft-Demos zu profitieren. Spätere Wahlanalysen kamen zu dem Ergebnis, dass Rot-Grün die parlamentarische Mehrheit, die Grün-Rot schlussendlich nach dem Fallout von Fukushima gewann, nicht erreicht hätte.
Stets ein schwieriger Spagat
In zugespitzten Situationen können TV-Duelle den Ausschlag geben. Nach Vögeles Ansicht vor allem deshalb, weil in einem Wahlkampf nie mehr Menschen auf einen Schlag erreicht werden können als beim Kräftemessen auf dem Bildschirm. Beim SWR waren es in der Vergangenheit jeweils mehr als eine halbe Million ZuschauerInnen. Insbesondere in Bundesländern kommt es maßgeblich auf den Eindruck an, den die ProtagonistInnen im Fernsehen hinterlassen - auch weil der Bekanntheitsgrad von LandespolitikerInnen oft überschaubar ist. Michael Wehner, der die Talk-Runde für die LpB moderiert, macht die Probe aufs Exempel und fragt Vögele nach dem Namen des CDU-Spitzenkandidaten in Rheinland-Pfalz, wo am 14. März ebenfalls gewählt wird – die Wissenschaftlerin winkt ab.
1 Kommentar verfügbar
Gerald Wissler
am 23.02.2021Seit Jahrzehnten betreiben sie Desinformation.
Denn nichts anderes sind diese sogenannten Spitzenduelle.
Dadurch glauben die Leute, sie könnten den…