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Die SWR-Elefantenrunden

Gute Karten, schlechte Karten

Die SWR-Elefantenrunden: Gute Karten, schlechte Karten
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Zwei Mal bittet der SWR vor der Landtagswahl zur Konfrontation: erst Winfried Kretschmann nebst Susanne Eisenmann und drei Tage vor dem Urnengang die SpitzenkandidatInnen jener Parteien, die Chancen auf den Einzug ins Parlament haben. Eine kleine Kulturgeschichte des TV-Duells.

Die Landeszentrale für politische Bildung (LpB) hatte dieser Tage zum Web-Talk geladen, einem Termin, der wie gemacht ist für alle Wahlkampf-StrategInnen. Die Kommunikationswissenschaftlerin Catharina Vögele beschrieb bei dieser Gelegenheit Wert und Wahrnehmung solcher Veranstaltungen, die als "Elefantenrunden" seit Mitte der Sechziger Jahre Tradition haben im Bund und später in den Ländern. In Baden-Württemberg erstmals für größere Furore sorgte die – übrigens fast drei Stunden lange – Fernsehrunde 1984 mit dem jungen, noch unbekannten Fritz Kuhn im SWR. Schon bei der Begrüßung erleben er genauso wie die ZuschauerInnen die ressentimentgeladene Abwehrhaltung des Moderators Emil Obermann. Immerhin parierte der spätere Bundesvorsitzende der Grünen und Stuttgarter Oberbürgermeister die Attacken so, dass der schwarze Ministerpräsident Lothar Späth schon bei diesem allerersten Zusammentreffen angetan war von dem aufstrebenden Linguisten.

Damals wie bei den vielen anderen Gelegenheiten steht und fällt der Erfolg mit der richtigen Dosierung: werben für sich selber und zugleich für die Positionen der eigenen Partei; die Angriffe der anderen geschickt kontern und Steilvorlagen verwandeln, ohne überheblich zu wirken; markante große Linien ziehen und die thematische Gunst der Stunde richtig nutzen. Die Südwest-SPD ist lange nicht darüber hinweggekommen, wie Nils Schmid, ihr dynamischer Spitzenkandidat mit dem Doktoranden-Image, 2011 nach Fukushima überholt wurde vom behäbigen Winfried Kretschmann.

Aufmerksamkeit brachten den KandidatInnen vor zehn Jahren auch die After-Partys nach Podiumsdiskussionen, zu denen Zeitungshäuser, der SWR oder Verbände geladen hatten. Vor dem 11. März, dem Tag der nuklearen Katastrophe in Japan, liefen alle ähnlich ab. Schmid und der CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus, den er ablösen wollte, waren als interessante Gesprächspartner umringt von vielen. Der grüne Kandidat stand immer abseits und beobachtete das Geschehen. Nach den Kernschmelzen rückte Kretschmann in den Mittelpunkt, so sehr, dass er sich sogar rechtfertigen musste gegen den Vorwurf, jetzt zu allem Überfluss sogar noch von den Anti-Atomkraft-Demos zu profitieren. Spätere Wahlanalysen kamen zu dem Ergebnis, dass Rot-Grün die parlamentarische Mehrheit, die Grün-Rot schlussendlich nach dem Fallout von Fukushima gewann, nicht erreicht hätte.

Stets ein schwieriger Spagat

In zugespitzten Situationen können TV-Duelle den Ausschlag geben. Nach Vögeles Ansicht vor allem deshalb, weil in einem Wahlkampf nie mehr Menschen auf einen Schlag erreicht werden können als beim Kräftemessen auf dem Bildschirm. Beim SWR waren es in der Vergangenheit jeweils mehr als eine halbe Million ZuschauerInnen. Insbesondere in Bundesländern kommt es maßgeblich auf den Eindruck an, den die ProtagonistInnen im Fernsehen hinterlassen - auch weil der Bekanntheitsgrad von LandespolitikerInnen oft überschaubar ist. Michael Wehner, der die Talk-Runde für die LpB moderiert, macht die Probe aufs Exempel und fragt Vögele nach dem Namen des CDU-Spitzenkandidaten in Rheinland-Pfalz, wo am 14. März ebenfalls gewählt wird – die Wissenschaftlerin winkt ab.

Die guten und die schlechten Karten sind in den Duellen trotzdem nicht eindeutig verteilt, weil die Unbekannteren die Chance nutzen können, die etablierte Konkurrenz und erst recht das Publikum zu überraschen. Oder weil dem Platzhirsch schwere Fehler unterlaufen. Erwin Teufel argumentierte 2001 mit Stellen für Lehrkräfte, die es gar nicht gab, und präsentierte Zahlen, die keinem Faktencheck standhielten – was der Runde eine ansehnliche Nachberichterstattung verschaffte. Kurze Zeit sah es damals so aus, als könne die 37-jährige SPD-Hoffnungsträgerin Ute Vogt tatsächlich Ministerpräsidentin von Baden-Württemberg werden. Am Ende holte sie mit nie wieder erreichten 33,3 Prozent immerhin das beste Ergebnis für ihre Roten seit 25 Jahren.

Doppelt punkten kann in den Elefantenrunden, aber auch auf Podien, wer die eigene Anhängerschaft stärkt in ihrer Überzeugung, zugleich aber bei SkeptikerInnen und womöglich bei UnterstützerInnen anderer Boden gutmachen kann. Mit leicht verständlichem Allgemeingut, "das breit zustimmungsfähig ist", sagt Vögele. Zugleich lauert die Gefahr, ins Banale abzurutschen. Dann sind sogar die eigenen Fans enttäuscht. RegierungschefInnen sehen sich zudem mit der Problematik konfrontiert, bei gutem Angriffsspiel der HerausforderInnen nur allzu bald in die Verteidigung der eigenen Taten gedrängt zu werden. Ein Beispiel lieferten eine Reihe von Zweier-Gesprächen, zu denen der ORF in den Neunzigern den damaligen österreichischen Bundeskanzler Franz Vranitzky lud, und die für den regierenden Sozialdemokraten beinahe zum Fiasko wurden, weil er immer weiter in die Defensive geriet im als penetrant wahrgenommenen Bemühen, die eigene Politik zu erklären.

Gemeinsam regieren macht Angriffe schwer

Ausgerechnet der bekennenden Offensivspielerin Susanne Eisenmann (CDU) sind im aktuellen baden-württembergischen Landtagswahlkampf nach Vögeles Einschätzung solche Instrumente aber aus der Hand geschlagen, gleich in doppelter Hinsicht. Einerseits laufen gerade Politikerinnen noch immer Gefahr, als zickig zu gelten, wenn sie kampfesbereit sind – eine Zuschreibung, die es für die männlichen Pendants, und wenn sie noch so nervig sind, praktisch nie gibt. Andererseits sitzt Eisenmann als Kultusministerin seit fünf Jahren mit am Kabinettstisch. Das mache es unmöglich, sagt die Wissenschaftlerin, sich grundsätzlich von der Politik der zu Ende gehenden Legislaturperiode zu distanzieren.

Da hatte es Nils Schmid bei seiner Konfrontation mit Stefan Mappus deutlich leichter, seine Forderungen, seine Pläne und die scharfe Kritik an der CDU/FDP-Landesregierung an Mann und Frau am Schirm zu bringen. Eine wissenschaftliche Nachbetrachtung der Veranstaltung vor zehn Jahren gibt auch einen Einblick in die Vorbereitung. Unvorstellbar ist, dass Mitte der Sechziger, als Werner Höfer in Bonn zu den ersten Elephantenrunden lud, die Akteure in den Tagen zuvor ins Trainingslager verschwinden, so wie es der Sozialdemokrat Schmid 2011 gemacht hat. Zwei Tage lang, berichtet Vögele, sei der Spitzenkandidat in einem nachgebauten TV-Studio von Sparringspartnern auf die verschiedensten Situation eingestellt worden, während der Amtsinhaber mit einem Tag Auszeit zur Einstimmung und zum Einlesen ausgekommen sei.

Winfried Kretschmann kann in den Augen der TV-Duell-Spezialistin Vögele "sehr gelassen" in die beiden Termine gehen, "wenn man seine Bekanntheit und seine Beliebtheit betrachtet". Zuletzt kam das ZDF-Politbarometer auf sechs Prozentpunkte, die grün und schwarz in der Demoskopie trennen. Bei derartigen Abständen sei kaum vorstellbar, dass – selbst bei Zuschauer- und Aufmerksamkeitsrekorden – eine Trendwende geschafft werden könne. Andererseits hat gerade Kretschmann am eigenen Leib erst kürzlich erfahren, für wie viel Aufregung ein einziger Auftritt sorgen kann, wenn einem Politik-Promi mal so richtig der Kragen platzt. In der Corona-Strategie der einzelnen Bundesländer müsse man "nicht bei jeder kleinen Abweichung so tun, als seien da Schurken am Werk", bellte er am 26. Januar bei Markus Lanz in die Kamera, als der beharrlich eine Nachfrage nach der anderen abschoss. Tweets im Minutentakt waren die Folge, die allermeisten negativ. Deren Wirkung nach Elefantenrunden ist im Übrigen wissenschaftlich noch weitgehend unerforscht, unstrittig ist aber, dass das Echo im Netz immer wichtiger für den Wahlausgang wird. Genauso wie die in den USA abgeschaute Übung, so schnell wie möglich mit größter Reichweite in die eigene Anhängerschaft hinein einen Sieger oder eine Siegerin zu erklären.


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1 Kommentar verfügbar

  • Gerald Wissler
    am 23.02.2021
    Antworten
    Da wundert man sich über die Defizite bei der politischen Bildung der Bevölkerung, und was machen die Öffentlich-Rechtlichen Sender ?
    Seit Jahrzehnten betreiben sie Desinformation.
    Denn nichts anderes sind diese sogenannten Spitzenduelle.
    Dadurch glauben die Leute, sie könnten den…
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