Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ist überzeugt, dass "die Corona-Pandemie die Selbstverständlichkeit der Demokratie erschüttert hat". Im Festvortrag zum 75-jährigen Bestehen der Evangelischen Akademie Bad Boll am vergangenen Sonntag rief der CDU-Politiker mit Blick auf die Demos gegen die Corona-Auflagen dazu auf, "die Demokratie gegen Unsinn zu verteidigen". Schäuble hielt ein engagiertes Plädoyer für den befriedenden Kompromiss. Soziale Medien verschärfen seiner Ansicht nach die Fragmentierung der Gesellschaft. Der 78-Jährige, der seit 47 Jahren im Bundestag sitzt, ist überzeugt, dass "die Demokratie einem Stresstest unterzogen wird". Mit besonders großer Sorge schaue er in die USA.
Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zeigte sich in Bad Boll besorgt über die im Netz kursierenden "alternativen Fakten". Und mit Blick auf die USA meinte er, dass zivilisierter Streit umso wichtiger sei, wenn "selbst Staatenlenker hemmungslos schmähen und lügen dürfen". Jeder im Raum wusste, dass es um US-Präsident Donald Trump ging, der die Amerikaner darauf vorbereitet, dass die Entscheidung über die Wahl am 3. November vor Gericht entschieden werden könnte.
Wenn Trump offen zum Wahlbetrug aufruft, wenn er dazu auffordert per Brief abzustimmen und zusätzlich ins Wahllokal zu gehen, wenn er die Ergebnisse von Briefwahlen von vornherein mit ungeheurer Dreistigkeit als manipuliert anzweifelt, bereitet das nicht nur Bundespräsident Schäuble und Ministerpräsident Kretschmann Unbehagen. Denn eines ist inzwischen sicher: Auch in Deutschland spielt bei Wahlen unter Corona-Bedingungen die Briefwahl eine viel größere Rolle als bisher.
Stuttgart unter Beobachtung
Aber auf die Frage, ob es schon Strategien gebe, wenn die Landtagswahlen im kommenden März in Baden-Württemberg unter den Bedingungen der Pandemie ablaufen würden, reagiert man in der Pressestelle des Staatsministeriums selbst auf beharrliches Nachfragen mit Schweigen. Landeswahlleiterin Cornelia Nesch erklärt immerhin, dass "wir natürlich die Corona-Pandemie im Blick haben".
1 Kommentar verfügbar
Andrea K.
am 06.10.2020Wie man Trumps Aufruf zum Wahlbetrug allerdings mit dem deutschen Wahlsystem verquirlen kann, ist mir etwas rätselhaft.