Jetzt sitzen sie nebeneinander, Sonnenblumen markieren den Abstand, diskutieren, virtuell wie real. Vor der traditionellen Klausur zum Start in den landespolitischen Herbst probiert die grüne Landtagsfraktion Corona-bedingt eine neue Variante ihres Dialogs mit BürgerInnen ("Lokal, digital, überall") aus: Der Regierungs- und der Fraktionschef stellen sich in Münsingen auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz unter Wahrung von Hygieneregeln Fragen aller Art. Der eine ist der landesväterliche Publikumsliebling, der andere ein trotz der bald 25 Jahre in Kommunal- und Landespolitik ein weitgehend unbeschriebenes Blatt, auch wenn ihn Thekla Walker, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende, als "grüne Politprominenz" begrüßt.
Tatsächlich ist der 41-jährige Wirtschaftsjurist so etwas wie die Inkarnation des Stilwechsels. Jeder der Vorgänger hat sich auf Kosten des Regierungschefs und seiner Partei profiliert, jeder wurde außer vom eigenen Ehrgeiz auch von Teilen der Basis dazu gedrängt. CDU-Fraktionschef Lothar Späth zwang 1972 Hans Filbinger die erste Ministerin auf, die es überhaupt jemals gab in Baden-Württemberg. Nicht etwa, weil er mehr Gleichberechtigung gewollt hätte, sondern weil er wusste, dass er den Ministerpräsidenten damit maximal ärgern konnte. Erwin Teufel suchte Distanz zum Regenten Späth, indem er viel früher als andere die Atomkraft problematisierte oder nach der doppelten Staatsbürgerschaft für die erste Gastarbeitergeneration rief. Günther Oettinger versuchte sich als gesellschaftspolitischer Erneuerer im Kontrast zum als konservativ verschrienen Teufel, Stefan Mappus gab den rechten Haudegen – alle vier schafften den Weg vom Sessel des CDU-Fraktionschefs hoch in die Villa Reitzenstein.
Auf der Charismatikerleiter ist noch Luft nach oben
Und Andreas Who? Der macht vieles schon seit vielen Jahren richtig, aber so gar nichts von sich her. Und zwar derart konsequent, dass vermutet werden darf, sein Bekanntheitsgrad im drittgrößten Bundesland liegt irgendwo im einstelligen Prozentbereich. Anders als die der Vergangenheit angehörenden Christdemokraten drängt es ihn nicht an die Rampe, und wenn doch, drängt es diskret. Schwarz ist ein langer Lulatsch, aber kein großer Redner. Seine Auftritte im Landtag zwingen zu der Feststellung, auf der Charismatikerleiter sei noch genügend Luft nach oben. Schwarz ist auch keiner, der zum Boulevard rennt, um populär zu werden. Karriere hat er dennoch gemacht, und zu Ende ist die so oder so noch nicht.
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