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Füllhorn für wenige

Füllhorn für wenige
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Jahr für Jahr kassiert ein exklusiver Kreis von privaten und kirchlichen Bildungsträgern Millionenzuschüsse aus der Staatskasse. Vier von fünf Privathochschulen im Land müssen dagegen ohne den üppigen Geldsegen auskommen. Nun ist Klage gegen die Ungleichbehandlung eingereicht worden.

Der baden-württembergische Staatshaushaltsplan dürfte es kaum jemals in die Bestseller-Liste hiesiger Literatur schaffen. Zu amtlich schwurbelt die Sprache, zu nüchtern wirken die Tabellen, die fleißige Landesbeamte akribisch in das mehrere tausend Seiten starke Werk schreiben. Doch das Studium der endlosen Zahlenreihen lohnt. Denn sie beziffern nicht nur Peanuts wie etwa Portokosten. Sie verraten auch, über wen das Land großzügig das steuergespeiste Füllhorn ausschüttet. 

So wie etwa im Einzelplan 14 des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst von Theresia Bauer (Grüne). Unter dem Kapitel "1403 Allgemeine Aufwendungen für die Hochschulen" finden sich unter der Titelgruppe 92 "Zuschüsse zu den laufenden Kosten", die das Land an private Fachhochschulen überweist. Rund 14,4 Millionen Euro sind dafür im aktuellen Jahr ausgewiesen. Um weitere 200.000 Euro sollen sie in 2021 steigen. Im Vergleich zu den Milliardensummen, mit denen Finanzminister in diesen Corona-Zeiten jonglieren, ist dies gewiss nicht die Welt. Stutzig machen die Milliönchen aber dennoch. Weil Hochschulen in freier Trägerschaft in Baden-Württemberg "keinen Anspruch auf staatliche Finanzhilfe" haben. So zumindest steht es in Paragraf 70 Absatz 8 Landeshochschulgesetz (LHG).

Warum fließt dennoch Jahr für Jahr Staatsknete an private Bildungsträger? Bauers Plan gibt eine erstaunliche Antwort: Demnach ist Paragraf 70 nicht in Stein gemeißelt. Vielmehr wird er durch andere Gesetze "ausgestochen". So gestehen Artikel 6 Haushaltsbegleitgesetz 2018/19 und Artikel 27 Paragraf 22 des 2. Hochschulrechtsänderungsgesetzes (HRÄG) der Ministerin zu, "einzelnen staatlich anerkannten Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) Finanzhilfe zu den Personal- und Sachaufwendungen (Besitzstandswahrung)" zu gewähren. Daneben kann das Land ihnen zusätzlich "nach Maßgabe des Staatshaushaltsplans" finanziell unter die Arme greifen. 

Klingt seltsam. Ist es auch. Erst recht, weil der warme Geldregen seit Jahrzehnten nur auf einen kleinen exklusiven Kreis niedergeht. Von den derzeit 28 Privathochschulen, die im Südwesten staatlich anerkannt sind, profitieren gerade mal sechs Einrichtungen von der institutionellen Förderung, wie es im Amtsdeutsch heißt. Zu den Glücklichen gehören die SRH Hochschule Heidelberg, die Naturwissenschaftlich-Technische Akademie (nta) Isny sowie die Stuttgarter Merz Akademie. Sie werden nach dem Haushaltsbegleitgesetz gefördert. Zuschüsse nach HRÄG landen auf den Konten kirchlicher Träger: bei der Evangelischen Hochschule und der Katholischen Hochschule, beide in Freiburg, sowie bei der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. Diese drei sowie die nta in Isny werden zusätzlich nach "Maßgabe des Staatshaushaltsplans" gefördert. Auf die kirchlichen Hochschulen prasselte zuletzt noch mehr Fördergeld nieder: Aufgrund der "hohen gesellschaftlichen Relevanz" ihrer Studiengänge, die sich auf soziale Berufe konzentrieren, erhielten sie für die Jahre 2018 und 2019 auch Mittel aus dem Hochschulpakt 2020. Und das alles, obwohl der Staat bereits Kirchensteuer zur Finanzierung religiös motivierter Aufgaben erhebt, zu denen eben auch soziale Dienstleistungen zählen.

Am meisten Geld ist für kirchliche Träger da

Welche Summen die Einrichtungen jeweils einstreichen, verschweigt der Einzelplan des Wissenschaftsministeriums allerdings. Erst auf Kontext-Anfrage kommt Licht ins Zuschussdunkel. Demnach kassierte die Evangelische Hochschule Ludwigsburg in 2019 mit knapp 5,1 Millionen Euro den größten Batzen, vor der Katholischen Hochschule Freiburg mit 4,2 Millionen Euro. Auf den weiteren Plätzen folgten die SRH Hochschule Heidelberg (3,7 Millionen Euro), die Evangelische Hochschule Freiburg (2,4 Millionen Euro) und die Stuttgarter Merz Akademie (rund 1,8 Millionen Euro). Die nta Hochschule Isny musste sich mit knapp 433.000 Euro begnügen.

Allein seit 1995 überwies das Land den sechs Begünstigten insgesamt rund 284 Millionen Euro, während das Gros freier Bildungsträger hierzulande ohne diesen Geldsegen klarkommen musste. Wie das möglich wurde, zeigt der Exkurs in die Historie der Hochschulgesetzgebung. So schuf im Dezember 1971 die damals regierende Große Koalition aus CDU und SPD unter Ministerpräsident Hans Filbinger mit Paragraf 27 Fachhochschulgesetz erstmals einen Förderanspruch für alle privaten Hochschulträger. In der Fassung vom 4. Juni 1982 wurde der Anspruch um eine Hochschulbauförderung nach Maßgabe des Staatshaushaltsplans erweitert. Demnach gewährte das Land auf Antrag den Trägern von staatlich anerkannten Fachhochschulen einen Zuschuss, wenn die Fachhochschule "auf gemeinnütziger Grundlage arbeitet und soweit sie unter Zugrundelegung der staatlichen Ausbauziele für den Hochschulbereich das staatliche Hochschulwesen auf Dauer zu entlasten geeignet ist", so der Gesetzestext. Steuergelder an private Träger sollten also fehlende Studienplätze an staatlichen Hochschulen kompensieren helfen.

Im Juni 1987, damals regierte der CDU-Ministerpräsident Lothar Späth mit absoluter Mehrheit, wurde der Rechtsanspruch unter "Haushaltsvorbehalt" gestellt. Zuschüsse gab es seitdem nur noch, wenn sie im Landeshaushalt verfügbar waren. Von dieser Verschlechterung nahm Späths Wissenschaftsminister Helmut Engler jedoch diejenigen Hochschulen in kirchlicher und freier Trägerschaft aus, die schon vor Inkrafttreten des Gesetzes finanzielle Förderung genossen hatten. Deren Anspruch wurde als "Besitzstandwahrung" festgeschrieben. Im Januar 2005 schließlich beerdigten der damalige Ministerpräsident Erwin Teufel und sein Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (beide CDU) den Anspruch freier Hochschulträger auf staatliche Finanzhilfe. Dies gilt bis heute - zumindest vordergründig. Denn Frankenberg schrieb auch ins Gesetz jenen Gummiabsatz, wonach es dem Staat "weiterhin unbenommen bleibt, freiwillig solche Finanzhilfen im Einzelfall nach Maßgabe des Staatshaushaltsplans zu gewähren".

Der Besitzstand wird gewahrt

Seit nunmehr 33 Jahre fließen demnach "besitzstandswahrende" Zuschüsse. Als Pauschale pro Student und Studentin, aber in extrem unterschiedlicher Höhe. Dies lässt sich in der Antwort des Wissenschaftsministeriums auf die Kontext-Anfrage ablesen. Demnach kassierte die auf Design- und Kreativstudiengänge ausgerichtete Stuttgarter Merz Akademie mit 6.407 Euro die höchste jährliche "Kopfpauschale", gedeckelt auf 279 Studierende. Informatik-Studenten an der nta Insy waren dem Land dagegen im vergangenen Jahr keinen Euro mehr wert. Aber nur, weil die Hochschule nach Medienberichten vor der Schließung steht.

Zuletzt fragte sich die CDU-Landtagsabgeordnete Sabine Kurtz im Oktober 2014, ob die staatliche Förderung einiger weniger Privathochschulen zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Ob die Begünstigten etwa geringere Studiengebühren verlangen und so den Bildungsmarkt beherrschen könnten. Die parlamentarische Anfrage von Kurtz beantwortete Ministerin Bauer ausweichend, angeblich wegen fehlender Daten zu bundesweiten Studiengebühren. Eine stichprobenartige Internet-Recherche legt nahe, dass genau dieses Szenario zutrifft. So verlangt die Merz Akademie für das Bachelor-Studium Visuelle Kommunikation monatlich 383 Euro Studiengebühr. Der vergleichbare Studiengang Kommunikationsdesign an der nicht geförderten Stuttgarter Hochschule für Kommunikation und Gestaltung (HfK+G) schlägt mit 500 Euro Gebühr zu Buche, plus 100 Euro Beitrag für das Studierendenwerk.

Bauer verwies im Herbst 2014 auf ein Statement des deutschen Wissenschaftsrats, wonach "die große Mehrzahl der maßgeblich über Studiengebühren finanzierten privaten Hochschulen (...) auch ohne dauerhafte staatliche Zuwendungen wirtschaftlich tragfähig ist". Aus Sicht des Gremiums, das die staatliche Anerkennung privater Hochschulen regelmäßig überprüft, müssen private Bildungseinrichtungen "ihrem eigenen Anspruch entsprechend überwiegend privat finanziert werden".

Doch das trifft unter den sechs Begünstigten im Land nicht immer zu. So beziffert die Merz Akademie in einer Imagebroschüre den Anteil der Landeszuschüsse an ihrer Finanzierung mit 53 Prozent. Weitere drei Prozent kommen von der Stadt Stuttgart, in deren Immobilien die Akademie günstig residiert. Studiengebühren decken in der Merz Akademie nur 29 Prozent der laufenden Kosten. Ihr Träger, das Merz Bildungswerk, steuert lediglich neun Prozent bei. Drittmittel und sonstige Erträge decken sechs Prozent der Kosten. "Die Finanzierung der Merz Akademie ist nur unter der Voraussetzung als solide einzuschätzen, dass das Land Baden-Württemberg auch zukünftig bereit sein wird, die staatliche Bezuschussung der 279 Studienplätze weiterzuführen. Sicherheitsleistungen für den Fall des Scheiterns bestehen bislang nicht", hatte der Wissenschaftsrat im Reakkreditierungsbericht 2014 kritisiert.

Ministerium hält ungleiche Behandlung für legitim

Die sprudelnden Zuschüsse zur Besitzstandswahrung könnten bald versiegen. Vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart ist eine Klage gegen das Land Baden-Württemberg anhängig, wie Kontext erfuhr. Seit mindestens 2005 sollen die Millionenzuschüsse zu Unrecht bezahlt worden sein, argumentiert der Kläger, ein nicht begünstigter Träger. Denn nach der damaligen Gesetzesänderung dürfe den Hochschulen Finanzhilfe nur für Studiengänge gewährt werden, die bereits am früheren Stichtag, dem 5. Oktober 1987, eingerichtet waren, so die Begründung. Nach Recherchen bot etwa die Merz Akademie den Studiengang Kommunikations-Design zum fraglichen Stichtag an. Später wurde dieser durch die Studiengänge Gestaltung, Kunst und Medien (B.A.) sowie Wissensbildung in Gestaltung, Kunst und Medien (M.A.) ersetzt. Beide werden bis heute angeboten. Auch die kirchlichen Hochschulen haben ihr Studienangebot geändert. So wurden die Diplom-Studiengänge im Zuge des Bologna-Prozesses durch Fächer mit Bachelor- und Masterabschluss abgelöst.

Nur in Einzelfällen seien bereits geförderte Studiengänge umbenannt worden, betont dagegen das Wissenschaftsministerium auf Nachfrage. "Dadurch blieb der grundsätzliche Förderanspruch jedoch unberührt", so eine Sprecherin. Auch verletze die jahrzehntelange Praxis, vier von fünf Privathochschulen Fördermillionen vorzuenthalten, nicht den Gleichheitsgrundsatz. "Die Ungleichbehandlung der unterschiedlichen Hochschulträger ist dadurch gerechtfertigt, dass die geförderten Hochschulen zu einer Zeit errichtet wurden, zu der der Gesetzgeber eine finanzielle Förderung gesetzlich ermöglicht hatte. Und die nicht geförderten Hochschulen zu einer Zeit, als der Gesetzgeber bereits entschieden hatte, von einer finanziellen Förderung abzusehen", heißt es aus dem Haus von Wissenschaftsministerin Bauer.

Wann mit einem Urteil in der Sache zu rechnen ist, ist offen. Derweil schüttet das Land weiter sein Füllhorn über wenige privilegierte Privathochschulen aus.


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3 Kommentare verfügbar

  • Viola Kern
    am 07.06.2020
    Antworten
    liebe kontext-redaktion,

    ich kenne & schätze welche unter den ca. 50 menschen, die an der merz akademie arbeiten und die der verfasser des artikels gerne arbeitslos sähe. insofern bin ich in der sache befangen und möchte mich nicht zu den einseitigen und irreführenden „argumenten“ in dem text…
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