Warum fließt dennoch Jahr für Jahr Staatsknete an private Bildungsträger? Bauers Plan gibt eine erstaunliche Antwort: Demnach ist Paragraf 70 nicht in Stein gemeißelt. Vielmehr wird er durch andere Gesetze "ausgestochen". So gestehen Artikel 6 Haushaltsbegleitgesetz 2018/19 und Artikel 27 Paragraf 22 des 2. Hochschulrechtsänderungsgesetzes (HRÄG) der Ministerin zu, "einzelnen staatlich anerkannten Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) Finanzhilfe zu den Personal- und Sachaufwendungen (Besitzstandswahrung)" zu gewähren. Daneben kann das Land ihnen zusätzlich "nach Maßgabe des Staatshaushaltsplans" finanziell unter die Arme greifen.
Klingt seltsam. Ist es auch. Erst recht, weil der warme Geldregen seit Jahrzehnten nur auf einen kleinen exklusiven Kreis niedergeht. Von den derzeit 28 Privathochschulen, die im Südwesten staatlich anerkannt sind, profitieren gerade mal sechs Einrichtungen von der institutionellen Förderung, wie es im Amtsdeutsch heißt. Zu den Glücklichen gehören die SRH Hochschule Heidelberg, die Naturwissenschaftlich-Technische Akademie (nta) Isny sowie die Stuttgarter Merz Akademie. Sie werden nach dem Haushaltsbegleitgesetz gefördert. Zuschüsse nach HRÄG landen auf den Konten kirchlicher Träger: bei der Evangelischen Hochschule und der Katholischen Hochschule, beide in Freiburg, sowie bei der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. Diese drei sowie die nta in Isny werden zusätzlich nach "Maßgabe des Staatshaushaltsplans" gefördert. Auf die kirchlichen Hochschulen prasselte zuletzt noch mehr Fördergeld nieder: Aufgrund der "hohen gesellschaftlichen Relevanz" ihrer Studiengänge, die sich auf soziale Berufe konzentrieren, erhielten sie für die Jahre 2018 und 2019 auch Mittel aus dem Hochschulpakt 2020. Und das alles, obwohl der Staat bereits Kirchensteuer zur Finanzierung religiös motivierter Aufgaben erhebt, zu denen eben auch soziale Dienstleistungen zählen.
Am meisten Geld ist für kirchliche Träger da
Welche Summen die Einrichtungen jeweils einstreichen, verschweigt der Einzelplan des Wissenschaftsministeriums allerdings. Erst auf Kontext-Anfrage kommt Licht ins Zuschussdunkel. Demnach kassierte die Evangelische Hochschule Ludwigsburg in 2019 mit knapp 5,1 Millionen Euro den größten Batzen, vor der Katholischen Hochschule Freiburg mit 4,2 Millionen Euro. Auf den weiteren Plätzen folgten die SRH Hochschule Heidelberg (3,7 Millionen Euro), die Evangelische Hochschule Freiburg (2,4 Millionen Euro) und die Stuttgarter Merz Akademie (rund 1,8 Millionen Euro). Die nta Hochschule Isny musste sich mit knapp 433.000 Euro begnügen.
Allein seit 1995 überwies das Land den sechs Begünstigten insgesamt rund 284 Millionen Euro, während das Gros freier Bildungsträger hierzulande ohne diesen Geldsegen klarkommen musste. Wie das möglich wurde, zeigt der Exkurs in die Historie der Hochschulgesetzgebung. So schuf im Dezember 1971 die damals regierende Große Koalition aus CDU und SPD unter Ministerpräsident Hans Filbinger mit Paragraf 27 Fachhochschulgesetz erstmals einen Förderanspruch für alle privaten Hochschulträger. In der Fassung vom 4. Juni 1982 wurde der Anspruch um eine Hochschulbauförderung nach Maßgabe des Staatshaushaltsplans erweitert. Demnach gewährte das Land auf Antrag den Trägern von staatlich anerkannten Fachhochschulen einen Zuschuss, wenn die Fachhochschule "auf gemeinnütziger Grundlage arbeitet und soweit sie unter Zugrundelegung der staatlichen Ausbauziele für den Hochschulbereich das staatliche Hochschulwesen auf Dauer zu entlasten geeignet ist", so der Gesetzestext. Steuergelder an private Träger sollten also fehlende Studienplätze an staatlichen Hochschulen kompensieren helfen.
Im Juni 1987, damals regierte der CDU-Ministerpräsident Lothar Späth mit absoluter Mehrheit, wurde der Rechtsanspruch unter "Haushaltsvorbehalt" gestellt. Zuschüsse gab es seitdem nur noch, wenn sie im Landeshaushalt verfügbar waren. Von dieser Verschlechterung nahm Späths Wissenschaftsminister Helmut Engler jedoch diejenigen Hochschulen in kirchlicher und freier Trägerschaft aus, die schon vor Inkrafttreten des Gesetzes finanzielle Förderung genossen hatten. Deren Anspruch wurde als "Besitzstandwahrung" festgeschrieben. Im Januar 2005 schließlich beerdigten der damalige Ministerpräsident Erwin Teufel und sein Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (beide CDU) den Anspruch freier Hochschulträger auf staatliche Finanzhilfe. Dies gilt bis heute - zumindest vordergründig. Denn Frankenberg schrieb auch ins Gesetz jenen Gummiabsatz, wonach es dem Staat "weiterhin unbenommen bleibt, freiwillig solche Finanzhilfen im Einzelfall nach Maßgabe des Staatshaushaltsplans zu gewähren".
Der Besitzstand wird gewahrt
Seit nunmehr 33 Jahre fließen demnach "besitzstandswahrende" Zuschüsse. Als Pauschale pro Student und Studentin, aber in extrem unterschiedlicher Höhe. Dies lässt sich in der Antwort des Wissenschaftsministeriums auf die Kontext-Anfrage ablesen. Demnach kassierte die auf Design- und Kreativstudiengänge ausgerichtete Stuttgarter Merz Akademie mit 6.407 Euro die höchste jährliche "Kopfpauschale", gedeckelt auf 279 Studierende. Informatik-Studenten an der nta Insy waren dem Land dagegen im vergangenen Jahr keinen Euro mehr wert. Aber nur, weil die Hochschule nach Medienberichten vor der Schließung steht.
3 Kommentare verfügbar
Viola Kern
am 07.06.2020ich kenne & schätze welche unter den ca. 50 menschen, die an der merz akademie arbeiten und die der verfasser des artikels gerne arbeitslos sähe. insofern bin ich in der sache befangen und möchte mich nicht zu den einseitigen und irreführenden „argumenten“ in dem text…