Herr Tilp, geht der Telekom-Mammutprozess nach über 15 Jahren endlich zu Ende?
Nein, leider noch nicht. Nach der Verhandlung in der vergangenen Woche haben wir bis 17. November Zeit, weitere Schriftsätze einzureichen. Am 30. November will dann der Senat eine Entscheidung verkünden, die in zwei unterschiedliche Richtungen gehen kann. Entweder er verkündet einen Musterentscheid, oder es geht erneut in die Beweisaufnahme. Nach einem Musterentscheid wird die unterlegene Partei sicher Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen. Hiesige Kläger müssen sich wohl noch bis ins Jahr 2020 gedulden, bis sie Schadenersatz bekommen.
Das klingt ziemlich siegessicher?
Wir werden gegen die Telekom gewinnen. Wenn nicht jetzt sofort vor dem Frankfurter OLG, dann am Ende des Tages durch eine höchstrichterliche Entscheidung des BGH. In den USA übrigens hat die Telekom bereits 2005 rund 120 Millionen US-Dollar auf den Tisch gelegt, um amerikanische Anleger zu entschädigen.
Der Musterkläger aus Reutlingen, den Sie vertreten, hat von einem Sieg allerdings nichts mehr.
Neben allen noch lebenden Klägern profitieren selbstverständlich auch die Erben des Musterklägers von einer rechtskräftigen Entscheidung in unserem Sinne. Denn alle Ansprüche werden vererbt, zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen. Deshalb dürfte sich jeder Anspruch aus dem dritten Börsengang der Telekom bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung auch verdoppelt haben.
Solch lange Verfahrensdauern waren wohl nicht im Sinne des sogenannten Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes, kurz KapMuG, das dem Prozess zugrunde liegt?
Das KapMuG wurde im Jahr 2005 quasi als Lex Telekom beschlossen, um Massenverfahren wie zum dritten Börsengang des Konzerns überhaupt "handlebar" zu machen. Nicht nur die lange Verfahrensdauer zeigt, dass es versagt hat. Es konnte auch die Verfahrensflut nicht wirksam reduzieren. So wurden insgesamt 2700 Klagen von 917 Anwälten gegen die Telekom eingereicht. Das KapMuG muss entweder weg oder richtig reformiert werden, das habe ich deshalb schon früh gefordert. Reagiert hat der Gesetzgeber im November 2012 mit einer Gesetzesreform, die mir aber immer noch nicht weit genug geht. Sie soll KapMuG-Prozesse unter anderem kostengünstiger für die Kläger machen. Und sie soll die Verfahren beschleunigen, was sich bereits im aktuellen VW-Fall beobachten lässt. Musterklagen sollten künftig nach spätestens drei Jahren beim Oberlandesgericht entschieden sein.
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