"Jesus Christus war auch Flüchtling", erinnert Katrin Heinritz. Aber im allgemeinen Stühlerücken geht dieser Hinweis der neuen CDU-Mitgliederbeauftragten unter. Denn just in diesem Moment brechen viele der gut 400 Christdemokraten in der Heilbronner Harmonie in die einzelnen Fachforen auf. Aber selbst wenn auf diesem Parteikonvent, geplant als Höhepunkt der monatelanger Basisbeteiligung am Wahlprogramm, andächtige Stimmung geherrscht hätte, hätte die Erwähnung des Nazareners kaum gefruchtet. Zu viele in der Südwest-CDU haben sich längst eine dicke Hornhaut antrainiert.
Die Passage in der Satzung, wonach das "öffentliche Leben im Dienst des deutschen Volkes und des deutschen Vaterlandes aus christlicher Verantwortung und nach dem christlichen Sittengesetz auf der Grundlage der persönlichen Freiheit und des sozialen Rechtsstaates demokratisch" gestaltet werden soll, steht nur auf dem Papier. Wie sonst könnte Fraktionschef Guido Wolf derart bejubelt werden für Forderungen wie die nach einem härteren Vorgehen gegen jene Flüchtlinge, "die in Deutschland die moderne Variante des Schlaraffenlands sehen, aber das sind wir nicht"?
Der Spitzenkandidat zur Landtagswahl 2016 zielt ungeniert – das C im Parteinamen hin oder her – auf niedere Instinkte, weil er an die Macht will. Und Amtsinhaber Winfried Kretschmann scheut die klare Ansage, weil er die Macht nicht verlieren will. Der neueste Einfall im Staatsministerium: Kreisen und Kommunen werden keine Zahlen als Obergrenzen der unterzubringenden Menschen mehr genannt. Was an den Verhältnissen vor Ort gar nichts ändert, der Koalition aber prompt den CDU-Vorwurf einer "Politik des Wegsehens" einbringt.
Der Dritte im Bunde einer sich aufschaukelnden Debatte, der rote Haudegen Claus Schmiedel, unternimmt beim Thema Flüchtlingspolitik unbekümmert Paradoxes: Er sucht den Schulterschluss – aber wieder mal im Alleingang. Nicht einmal von der völlig überzogenen CDU-Kritik an der Landesregierung lässt er sich von dem Versuch abbringen, öffentliche Aufmerksamkeit auf seine immerfort schwächelnden Sozialdemokraten zu lenken. Gemeinsam mit den Schwarzen hat er eine aktuelle Landtagsdebatte beantragt. Die Verärgerung bei den Grünen nimmt er offenkundig billigend in Kauf.
Nein, sagt er treuherzig, der ungewöhnliche Schulterschluss sei kein "Zeichen für großkoalitionäre Überlegungen", sondern vielmehr angelegt auch in der parteiübergreifenden Zusammenarbeit auf Bundesebene, etwa in der Ministerpräsidentenkonferenz. Die Jusos treten dem Genossen Fraktionschef dennoch ans Schienbein. "Nach den populistischen Äußerungen der Landes-CDU Guido Wolfs habe ich große Zweifel daran, dass überhaupt eine sachorientierte gemeinsame Position zur Flüchtlingsfrage möglich ist", erklärt der Landesvorsitzende Leon Hahn. Und fügt hinzu: "Mit dem Leiden von Menschen macht man keinen Wahlkampf!"
9 Kommentare verfügbar
ws
am 30.09.2015Ihre "anfängliche Einschätzung" wäre mit freudiger Erwartung präziser beschrieben. Sie hofften auf ein Abziehbild ihres ideologischen Lieblingsgegners
für ihre Affektabfuhr, die natürlich auch ein Bessermensch benötigt (aber natürlich nicht reflektiert - die Bösen, das sind immer die…