Schnell benannten Spötter den Veranstaltungsort als prädestiniert für das Erörterungsverfahren, bei dem über die Einwendungen von Umweltverbänden und betroffenen Bürgern gegen die von der Bahn beantragte Grundwasser-Planänderung diskutiert werden sollte. Weil man mit großem Andrang rechnete, hatte das Regierungspräsidium Stuttgart das 1800 Plätze bietende Stage-Apollo-Theater im Vergnügungstempel SI-Centrum für vier Tage angemietet. Die Musical-Spielstätte, derzeit gastieren die rührseligen Nonnen von Sister Act dort, eigne sich bestens für eine Alibi-Veranstaltung, mit der nur planungsrechtlichen Vorgaben Genüge geleistet werde, monierten Kritiker im Vorfeld.
Die tausendfach vorgetragenen Befürchtungen und Bedenken der Stuttgart-21-Gegner, dass die von der Bahn beantragte Verdoppelung der abzupumpenden Grundwassermenge für den Bau des Bahnhofstrogs das Mineralwasser Stuttgarts versiegen, Bäume im Schlossgarten verdursten und Bürgerhäuser am Baufeldrand sich setzen lassen könne, würden lediglich pro forma zur Kenntnis, aber nie wirklich ernst genommen. So wie es auch schon bei früheren Erörterungen der Fall war, zuletzt im Januar 2012, als es um das Bohren des Fildertunnels ging. Auch damals waren Tausende Einwendungen gegen einen geänderten Vortrieb der neun Kilometer langen Röhren vom Tiefbahnhof hinauf auf die Filderebene als grundlos ad acta gelegt worden. Erörterungsverfahren in Sachen Stuttgart 21 – alles nur Theater, oder was?
Beobachter konnten auch diesmal von Anfang an den Eindruck gewinnen, allein schon von der Sitzordnung her: Auf der Musical-Bühne thronte über den Zuschauerrängen links ein zwölfköpfiges Expertenkommando der Bahn, rechts der Sitzungsleiter des Regierungspräsidiums Stuttgart, Joachim Henrichsmeyer, samt Stellvertreterin und Protokollant. Ihnen im Saal gegenüber: aufgebrachte Bürger, Vertreter von Initiativen und Verbänden, ihre Anwälte und Sachverständige. Erste Misstöne entstehen, als Bahn-Projektleiter Stefan Penn in der launigen Art eines TV-Moderators sein Team vorstellt ("Bekannt aus Funk und Fernsehen") und beim Bahn-Geologen Walter Wittke ein Raunen durch den Saal geht.
Ein Zuchtmeister als Versammlungsleiter
Sitzungsleiter Henrichsmeyer weist das Publikum barsch zurecht wie ein strenger Vater seine unartigen Kinder. Zunächst wird es ruhiger. Doch dann bekommt Regierungsdirektor Henrichsmeyer die Quittung in einer Flut von Befangenheitsanträgen, die nach und nach Stuttgarts Regierungspräsidenten Johannes Schmalzl (FDP), das Regierungspräsidium an sich, Innenminister Reinhold Gall (SPD) und die gesamte Landesregierung (Grün-Rot) mit einschließen. Die Anhörung sei viel zu früh von Regierungspräsident Schmalzl angesetzt worden, so der Hauptvorwurf eines unfairen Verfahrensablaufs.
So hatten die Unterlagen zur 7. Planänderung beim Tiefbahnhofprojekt, die eine <link http: www.kontextwochenzeitung.de _blank>Erhöhung der Grundwasserentnahme während der Bauzeit des Bahnhofstrogs von 3,2 auf 6,8 Millionen Kubikmeter vorsehen, zwar korrekt vom 10. September bis zum 9. Oktober 2012 ausgelegen. Auch wurde die Zweiwochenfrist gewahrt, in der mehr als 10 000 Einwendungen gegen die erhöhte Grundwasserentnahme eingingen. Umweltminister Franz Untersteller (Grüne), der schon im Jahr 2011 die Fachaufsicht über die Bahnpläne an sich gezogen hatte, bat das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau um eine Stellungnahme. Die Freiburger Behörde lieferte diese am 22. Oktober. Wenige Tage später, am 13. November, reagierte auch das städtische Amt für Umweltschutz als untere Wasserschutzbehörde – mit 56 kritischen Fragen an die Bahn.
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Bernd Oehler
am 25.07.2013