Vor einem Jahr hat der Rechungshof ins selbe Horn gestoßen und eine für die Landesregierung unheilvolle Lawine ausgelöst. Es müsse Klarheit über die bildungspolitischen Pläne und Prioritäten geschaffen werden, damit der Landtag "auf einer klaren Informationsbasis" über Stellen entscheiden könne, fordert die Denkschrift 2012 der obersten Prüfer im Land. In seiner Stellungnahme teilt das Kultusministerium mit, "für eine Übergangszeit weiterhin ein Drittel der demografischen Rendite im System belassen zu wollen". Zu Deutsch: Nur jede dritte Stelle, die infolge des drastischen Rückgangs der Schülerzahlen rein rechnerisch frei würde, soll erhalten bleiben.
Neulich bei der Regierungspressekonferenz. Vor Medienvertretern erläutert der Ministerpräsident Sparvorschläge. Etwa die Streichung jener 3500 Stellen, die CDU und FDP zwar geschaffen, aber nicht stabil finanziert haben. Findige Journalisten rechnen noch während der laufenden Pressekonferenz zusammen. Seither befeuert die Zahl 11 600 die Debatte über wegfallende Stellen. Und die SPD strickt an der Legende, Kretschmann habe ihr im Alleingang ein bildungspolitisches Ei gelegt, was wiederum ihre eigenen Alleingänge rechtfertigt.
Überhaupt die SPD. Ihre Bildungspolitiker, die mit dem Aufbruch in eine neue Schulära die Grünen bei der nächsten Landtagswahl übertrumpfen wollen, finden keinen Draht zu den Lehrervertretern. Vereinzelte Gespräche, immer wieder Missverständnisse, kein stabiler Austausch, keine Verlässlichkeit. Es fehlt das Interesse der Handelnden am Diskurs mit Experten. Ein Beispiel von vielen: Im Sommer 2012 analysiert der renommierte Essener Bildungswissenschaftler Klaus Klemm die demografische Rendite im Detail und schlussfolgert aufgrund der Versprechungen im grün-roten Koalitionsvertrag, dass nur einige wenige Hundert Stellen tatsächlich überflüssig würden. Wieder sucht niemand den Kontakt. Auch ein Jahr später fehlen strategische Planungen oder wenigstens die Eckpfeiler eines tragfähigen Konzepts, um den Rotstift möglichst unschädlich anzusetzen.
SPD-Fraktionschef tituliert Lehrer als "Heulsusen"
Die Strategie hat etwas Masochistisches, denn naturgemäß trifft der anschwellende Ärger in der Lehrerschaft, in den Verbänden und vor allem in der GEW besonders die SPD. Speziell Fraktionschef Claus Schmiedel, früher selber Lehrer, macht sich unbeliebt. Als "Heulsusen" tituliert er Ende Mai Lehrerverbandsvertreter und unterstellt ihnen, "nicht davor zurückzuschrecken, Eltern bewusst zu verunsichern". Zugleich verabschiedet sich Schmiedel gern im Alleingang von alten Vorhaben oder bringt neue ins Spiel. Sogar der Vorsitzende der erst kürzlich gegründeten parteiinternen SPD-Arbeitsgemeinschaft für Bildung, der Landtagsabgeordnete Gerhard Kleinböck, erfährt so manches erst aus der Zeitung und befindet sich damit in bester Gesellschaft: Der Koalitionspartner und nicht zuletzt der Regierungschef bleiben ebenfalls uninformiert, wenn Schmiedel zum U-Turn ansetzt, so etwa zum unvermittelten Schulterschluss mit den "Heulsusen" vom Philologenverband. Die sind gegen die Radikalreform der Lehrerbildung, wie sie eine von der Landesregierung eingesetzte Kommission empfohlen hat. Weil aber die Grünen dafür sind, ist Schmiedel reflexartig dagegen und an der Seite der Beamten. Der Ministerpräsident gerät in Rage, droht mit Nachsitzen und einem permanent tagenden Koalitionsausschuss, in dem alles, was das Licht der Öffentlichkeit erblicken soll, vorher auf den Tisch muss. Und wieder findet Kretschmann so recht kein Mittel für ein konstruktives Miteinander, gegen die Sabotagestrategie der Genossen: Wenn ein Erfolg auch den Grünen – in diesem Fall Wissenschaftsministerin Theresia Bauer – zugerechnet werden könnte, dann lieber gar kein Erfolg.
2 Kommentare verfügbar
Susanne
am 20.07.2013Zur Info: Die Kopfnoten gibt es noch - ab Klasse 7. In Betragen gibt es allerdings kein ´mangelhaft´, sondern nur ´sehr gut´, ´gut´, ´befriedigend´oder ´unbefriedigend´.