"Wenn Gerichte die Preisgabe von Informanten fordern und Quellenschutz kriminalisieren, zerstören sie den Kern der investigativen Recherche, denn der Schutz von Informanten ist unbedingt einzuhalten."
Günter Wallraff
Im Mai 2018 erschienen bei Kontext zwei Artikel, von denen wir damals nicht ahnten, dass sie uns sieben Jahre lang beschäftigen sollten. Unserer Redakteurin Anna Hunger wurden damals Chatprotokolle eines Mannes zugespielt, der für zwei AfD-Abgeordnete im baden-württembergischen Landtag arbeitete. Facebook-Chats, die sehr viele Scheußlichkeiten in Wort und Bild enthielten. Wir entschieden uns dazu, Teile daraus zu veröffentlichen, weil wir meinen, dass genau das der Job von Journalisten ist: aufdecken, was im Verborgenen bleiben soll. In diesem Falle: aufzeigen, wie Mitarbeitende von parlamentarischen Abgeordneten, Leute, die in der Herzkammer der Demokratie arbeiten, ticken, wenn keiner zuhört.
Wir entschieden uns auch, den vollen Namen des Mitarbeiters zu nennen. Um andere Mitarbeitende nicht zu diskreditieren und weil nur konkrete Benennung auch trifft. Immerhin handelt es sich bei Mitarbeitenden von Politiker:innen um diejenigen, die Reden schreiben, Anfragen vorbereiten, die Arbeit im Hintergrund machen und Zugang haben zu sensiblen Informationen. Wie ernst zu nehmen unsere Veröffentlichung damals war, zeigt sich auch daran, dass der Landtag von Baden-Württemberg die Hausordnung verschärfte und Mitarbeitende von Abgeordneten und Parteien seitdem eingehender überprüft.
Damals, 2018, dachte man noch, Donald Trumps erste Amtszeit sei ein einzigartiges Versehen, Corona war noch ein Bier. Über die AfD wurde zu dieser Zeit diskutiert, ob sie nun rechtsextrem ist oder doch nicht. Im gleichen Jahr begannen die ersten Landesämter für Verfassungsschutz, AfD-Landesverbände zu beobachten. Mittlerweile sind mehrere davon als gesichert rechtsextrem eingestuft, die Partei als Ganzes wird als Verdachtsfall beobachtet.
Chats mit NPD, AfD und europäischen Rechtsradikalen
Wie rechtsextrem zumindest das Umfeld der Partei schon damals war, zeigen die Facebook-Chats des Mitarbeiters. Chats mit mehr als 130 Chatpartner:innen, mit NPD-Funktionären, AfD-Funktionären, mit europäischen Rechtsradikalen, Burschenschaftlern, aber auch mit Familienmitgliedern, Freunden. Die zitierten Stellen offenbarten das Weltbild eines Neonazis. Doch der behauptete schon damals, die Chats seien an den zitierten Stellen manipuliert worden. Und er zerrte uns vor Gericht. Erst im Eil-, dann im Hauptsacheverfahren.
9 Kommentare verfügbar
Ralf Hutter
vor 2 Wochen