Im August 2018, bei der ersten Verhandlung vor dem Landgericht Mannheim, damals noch im Eilverfahren, waren wir unterlegen. Der vorsitzende Richter wunderte sich über das große öffentliche Interesse angesichts dieser "lahmen Geschichte", bereits vor der mündlichen Verhandlung hatte das Gericht geklagt, dass es die Vorlage von 17.000 Seiten Chatprotokollen in einem Eilverfahren für "nicht verarbeitbar" halte. Schließlich gab das Gericht der einstweiligen Verfügung gegen unsere Redaktion statt, unter anderem da die Authentizität des Materials nicht mit der nötigen Sicherheit belegt sei.
Anders sahen das die Richterinnen und Richter in Karlsruhe. Nach der Auswertung von elf Aktenordnern voller Beweismaterial gab das Oberlandesgericht unserer Redaktion in höherer Instanz in allen Punkten Recht. Im 32 Seiten umfassenden Urteil vom 4. März 2019 heißt es: "Die beanstandeten Presseartikel leisten einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage." Und weiter: "Unter diesen Umständen kommt den Äußerungen des Klägers hoher 'Öffentlichkeitswert' zu." Auch an der Nennung des Klarnamens fand das Gericht nichts zu beanstanden. "Sein Recht auf Vertraulichkeit und am Schutz seiner Persönlichkeit haben hinter dem Recht des Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zurückzutreten."
Das Urteil aus Karlsruhe ist unanfechtbar und damit war das Eilverfahren erledigt. Allerdings hatte XXXXX noch die Option, ein (deutlich zeitaufwändigeres) Hauptsacheverfahren zu eröffnen, und machte auch davon Gebrauch.
Bestritten wurde vom Kläger und seinem Vertreter Rechtsanwalt Christian Conrad von der Kanzlei Höcker zunächst die Echtheit der gesamten, 17.000 Seiten umfassenden Protokolle. Das änderte sich im Lauf der Auseinandersetzung, letztlich wurde nur die Echtheit der in unserem Artikel zitierten Passagen geleugnet: Die seien gefälscht und in den Chat-Verlauf hineinmanipuliert worden, behauptete die Gegenseite – allerdings kann sie keine Gegenbeweise liefern, weil XXXXX die Chatprotokolle mit den inkriminierten Passagen gelöscht hat und die als Zeugen geladenen Chat-Partner ebenso verfahren sind. "Beweisvereitelung" nennt dies das Landgericht Frankfurt.
Sowohl das OLG Karlsruhe als auch das Landgericht in Frankfurt am Main halten die von unserer Redaktion zitierten Passagen für authentisch. Das Gericht in Karlsruhe urteilte, es spreche eine "deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Echtheit der Chat-Protokolle". Auch das Landgericht in Frankfurt "geht von der Authentizität der vorgelegten Facebook-Protokolle aus", heißt es in der Urteilsschrift.
Außerdem ist die Kammer "überzeugt, dass die Beklagte zu 2. (Kontext-Autorin Anna Hunger) ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht nachgekommen ist und die Authentizität der Chat-Protokolle mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln überprüft hat. Die Beklagte zu 2. war nachvollziehbar in der Lage darzulegen, dass die so gewonnenen Informationen zuverlässig sind. Die Beklagten handelten auch in Wahrnehmung berechtigter Interessen. Mit ihrer Berichterstattung nehmen sie die klassische Aufgabe als Presseorgan im Sinne eines 'Wachhunds der Öffentlichkeit' wahr."
4 Kommentare verfügbar
Franz Ruetz
am 27.09.2023Von der Internationale der Nationalen. Alle Nationalisten Europas waren doch immer gerne in Moskau bei Putin zu Gast, auch wenn sie sich gerade ziemlich zurückhalten.
Destabilisieren der Demokratien ist ein erklärtes Ziel.