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Wo sind die Chefinnen?

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In den Führungsetagen deutscher Print- und Onlinemedien sitzen immer noch deutlich weniger Frauen als Männer. Besonders düster sieht es bei den Regionalzeitungen aus. Das zeigt auch ein Blick auf die Image-Kampagne des südwestdeutschen Verlegerverbands.

Was ist weiblicher Journalismus? "Ein Kolibri am Medienhimmel? Ein Kaktus in der Landschaft? Ein Wind im Weltall?" Das fragte sich die Schriftstellerin Else Buschheuer. Die Antwort darauf ist sehr viel weniger poetisch: Weiblicher Journalismus spielt in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle. Nach wie vor. Zumindest was die publizistische Macht von Frauen angeht. Das belegt eine vergangene Woche veröffentlichte Studie des Vereins Pro Quote Medien, die vom Bundesfamilienministerium unterstützt wurde.

Die Untersuchung zur Geschlechterverteilung in journalistischen Führungspositionen bestätigt, wie weit es noch hin ist bis zur Ausgewogenheit in den Redaktionen. Trotz allem gesellschaftlichen Gerede um Gleichstellung und Diversität. Zwar wird hierzulande gern so getan, als hätten Frauen auf ihrem Weg zur Macht schon wahnsinnig viel erreicht – aber die Realität ist mehr als ernüchternd. Auch was den weiblichen Einfluss in Medien angeht.

Für die Studie hat Pro Quote die Presse und redaktionelle Onlineangebote betrachtet und dabei Daten herangezogen, die per Gesetz veröffentlicht werden müssen: die Impressen. Die Zählungen umfassen teilweise mehrere Hierarchieebenen, um die "Frauenmachtanteile" zu berechnen, den gewichteten Frauenanteil. Nur in wenigen Ausnahmefällen, so das Ergebnis, sei eine Parität von Männern und Frauen in der Führung erreicht. "In anderen Bereichen zeigen die Zählungen rückwärtsgewandte Zustände in katastrophalem Ausmaß."

Besonders übel geht es dabei in den Regionalzeitungen zu. Da sei die Männerdominanz so erdrückend, "als habe sich das Rollenverständnis in der Gesellschaft seit den 1950er Jahren nicht verändert". Von 108 Chefredakteursposten im Regionalbereich sind gerade mal acht mit Chefredakteurinnen besetzt. Wobei drei davon in einer Doppelspitze arbeiten.

Die allermeisten der 100 untersuchten Regionalblätter werden also alleine von Männern geführt. Auch nach Stellvertreterinnen muss man lange suchen, hier liegt der Frauenanteil bei 16,5 Prozent. Und was das Ganze noch verschärft: Das Ungleichgewicht in den Führungsetagen der deutschen Regionalpresse hat sich in den vergangenen Jahren so gut wie gar nicht verändert. Lag der Frauenanteil 2016 bei 9,5 Prozent, sind im laufenden Jahr 10,2 Prozent des Führungspersonals weiblich. Hier wird Frauen der Aufstieg an die Spitze besonders beharrlich verwehrt.

Was unter anderem daran liegt, das gerade das alte Medium Tageszeitung – das erste tägliche Blatt kam bereits 1650 heraus – noch besonders hierarchisch und patriarchal geprägt ist. Obwohl es inzwischen in der Ausbildung mehr Frauen als Männer gibt, herrschen hier männliche Machtstrukturen in einem männlich dominierten Arbeitsfeld.

Es geht um mehr als nur eine Machtfrage

Nur wenig besser sieht es bei den überregionalen Tageszeitungen aus, deren Einfluss auf die gesellschaftliche Meinungs- und Willensbildung zweifellos nach wie vor prägend ist. Die "Süddeutsche Zeitung" kann immerhin ein knappes Drittel Frauen in Leitungspositionen vorweisen, auch wenn die Chefredaktion aus zwei männlich besetzten Doppelspitzen besteht. Die "Bild"-Zeitung bringt es auf ein Viertel, während Führungsfrauen bei der "Welt" (18,1 Prozent) , der FAZ (16,2 Prozent) und beim "Handelsblatt" (16,1 Prozent) mit der Lupe zu suchen sind. Wie sagte es Gabor Steingart, der ehemalige "Handelsblatt"-Chef, einmal so treffend: "Die Kultur in den Wirtschafts- und Finanzzeitungen weltweit hat Ähnlichkeit mit einem Western- und Countryclub. Es riecht nach T-Bone-Steak, nach Countrymusik und Herrenwitz."

Derart männlich geprägte Verhältnisse sind in einem Land, das sich als moderne Demokratie versteht, inakzeptabel. Schließlich betrifft die Männerdominanz auf journalistischem Terrain mehr als interne Machtfragen in den Medienhäusern. Journalismus soll die Verhältnisse in der Welt so vollständig und wahrheitsgemäß wie möglich beschreiben, analysieren, deuten, kommentieren. Doch wo Frauen an der Spitze fehlen, fehlt auch ein entscheidender Teil des Blicks auf die Welt. Fehlt ein entscheidender Ansatz der Weltdeutung.

Sieht es im digitalen Bereich besser aus mit der Chancengleichheit? In diesem Zukunftsfeld des Journalismus, der erst seit den 1990er Jahren aufgebaut wurde, müssten die alten Männerstrukturen doch obsolet sein. Mitnichten.

Seit 2012 zählt und vergleicht der gemeinnützige Verein Pro Quote Medien e.V. die Frauenanteile auf den Chefsesseln deutscher Medien. Sieben Journalistinnen vertreten als Vorstand die Interessen der Mitglieder und treten in der Öffentlichkeit für die Ziele ein. Ursprünglich forderte Pro Quote, 30 Prozent der Führungspositionen in deutschen Medien bis 2017 mit Frauen zu besetzen. Sobald das Ziel erreicht war, wollte sich der Verein auflösen. Doch weil die Forderung nicht erfüllt wurde, gibt es den Verein weiterhin. Die aktuelle Forderung lautet nun: Alle Führungspositionen in den Medien, die neu besetzt werden, sollen zu 50 Prozent an Frauen vergeben werden. (thh)

Die Studie hat die 100 reichweitenstärksten Onlineportale untersucht. Das Ergebnis: Auch da ist insgesamt nur ein knappes Drittel der Führungspositionen von Frauen besetzt. Wobei reine Onlinemedien mit einem Anteil von 36 Prozent besser abschneiden als die digitalen Redaktionen der klassischen Medien, die nur 27 Prozent vorweisen können. Auch hier zeigt sich noch einmal der lange Arm der Tradition.

Der beeinflusst auch die inhaltliche Ausrichtung. Frauen, Kochen, Haus, Mode, Garten, Unterhaltung – Websites rund um weiblich assoziierte Themenfelder werden mehrheitlich von Chefredakteurinnen geleitet. Angebote mit Informationen aus Politik, Wirtschaft oder Technik sind meist noch immer in Männerhand. Ein deprimierender Befund. Haushalt, Herd und Klatsch: weiblicher Kompetenzbereich. Hartes Nachrichtengeschäft: männliche Domäne.

Das erinnert fatal an ein abgestandenes Gesellschaftsbild, das Frauen seit mehr als 100 Jahren überwinden wollen. Und doch wiederholt sich die Geschichte auch dort, wo neue, gerechtere Verhältnisse erwartbar wären. Und wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch ist die Erkenntnis zwar da, dass divers aufgestellte Teams in den Medien ein besseres Ergebnis erzielen. Doch wenn es um die Umsetzung geht, spielt das offenbar keine Rolle mehr.

Zudem ist der weibliche Einfluss auf redaktionelle Entscheidungen auch prägend für das Männer- und Frauenbild, das in den Medien gezeichnet wird. Wie viele Frauen sind in der Berichterstattung präsent? Sind sie überhaupt sichtbar? In welchen Rollen werden sie gezeigt? Und wird ihre Betroffenheit von politischen Ereignissen und Entscheidungen genauso wahrgenommen wie die der Männer – obwohl der Mainstream-Blick ganz selbstverständlich männlich ausgerichtet ist?

Die taz ist das einzige Blatt mit Parität

Die Tageszeitung taz zeigt, wie es funktionieren kann. Wie selbstverständlich Frauen in Führungspositionen gelangen, wenn sich Medien auf eine Selbstregulierung verpflichten. Die taz hat sich bereits in den 1980er Jahren als erstes Unternehmen der Republik auf eine Fifty-fifty-Quote von Frauen und Männern festgelegt. In den Verlagsabteilungen und der Redaktion. Das Ergebnis: Die taz ist das einzige Blatt, in dem es genauso viele Spitzenfrauen wie -männer gibt.

Wie es bei der "Frankfurter Rundschau" (FR) aussieht, muss in diesem Zusammenhang auch erwähnt werden – selbst wenn das Ergebnis nicht ganz so erfreulich ist. An der Situation in der FR zeigt sich das Dilemma über Jahrzehnte gewachsener, männlich dominierter Strukturen. Denn obwohl die Redaktion fast zur Hälfte aus Frauen und auch die Chefredaktion aus einer weiblichmännlichen Doppelspitze besteht, ist die nächstwichtige Führungsebene klar männlich dominiert. Die Ressorts werden überwiegend von Männern gesteuert, selbst wenn die bedeutende Politikredaktion gleich zwei Frauen an der Spitze hat.

Dabei geht es insgesamt keineswegs um die Frage, ob Frauen den besseren Journalismus betreiben. Doch noch immer unterscheiden sich weibliche Erfahrungshorizonte von den männlichen. Noch immer werden Frauen anders geprägt, erzogen und nähern sich den gesellschaftlichen Verhältnissen deshalb auch anders an. Oft suchen sie andere Wahrheiten als ihre männlichen Kollegen. Denn sie binden ihre Erkenntnisse an ihre Lebensverhältnisse zurück. Und die sind eben auch abhängig von ihrem gelebten Leben.

Diese Vielfalt der Stimmen im Journalismus ist notwendig, um mehr über die Welt zu wissen, um sie besser zu verstehen.


Bascha Mika ist Chefredakteurin der "Frankfurter Rundschau" (FR) und Mitglied im Verein Pro Quote Medien. Ihre Analyse wurde zuerst in der FR veröffentlicht.


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1 Kommentar verfügbar

  • Ruby Tuesday
    am 16.11.2019
    Antworten
    Solange Männer in den Talkshows, nicht nur bei Anne Will, Sandra Maischberger, Maybrit Illner oder im ARD Presseclub überdurchschnittlich häufig vertreten sind (in jeder Sendung), gehören Männer, scheint es, zu den "besseren Werbeträgern“ der Medienunternehmen, gibt es wenig Hoffnung auf Besserung.
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