In früheren Zeiten der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung hatte sich der Kampf um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen niemals nur auf den Lohn und die Arbeit beschränkt. Bezahlbare Wohnungen, Zugang zu Bildung, Gesundheitsdienstleistungen und Erziehung, Einkaufsmöglichkeiten, Teilhabe an Sport und Kultur waren Gegenstand der politischen Auseinandersetzungen und der Selbstorganisation. Eine Vielzahl von Arbeiterkulturvereinen, Arbeitersportvereinen, Konsum- und Wohngenossenschaften in den 1920er Jahren liefern Zeugnisse davon. Manches wurde in den 1950er Jahren wieder aufgenommen, wie die Konsumgenossenschaften (Konsum, Coop), der gemeinnützige und genossenschaftliche Wohnungsbau. Nach und nach sind diese traditionellen Ansätze verschwunden.
Sie leben jedoch in neuer Form wieder auf. Am 14. April 2018 sind 25 000 Berliner*innen für bezahlbaren Wohnraum, gegen Immobilienspekulation und die Verdrängung der Mieter*innen auf die Straße gegangen. Es war eine der größten lokalen Demonstrationen seit Jahren. Aufgerufen hatten 230 verschiedene Gruppen und Organisationen. Das Spektrum reichte von Mieter*innen, Migrant*innen, Studierenden bis hin zu Senior*innen. Auch Gewerkschaften, Die Linke und Sozialverbände beteiligten sich. Damit wurde eines der größten sozialen Probleme unserer Zeit auf die Straße getragen.
Immer mehr Menschen haben genug von den zu hohen Mieten. Es fehlen rund 4,5 Millionen bezahlbare Wohnungen. Angestammte Bewohner*innen werden Opfer von mietsteigernden Modernisierungen oder Luxussanierungen. Wer eine neue Wohnung sucht, kann die horrenden Mieten kaum noch bezahlen. Das trifft schon längst Menschen mit niedrigem Einkommen, Alleinerziehende oder junge Familien, jedoch nach und nach auch jene, die über ein Durchschnitts- oder gar ein mittleres Einkommen verfügen. Mieten und Energieversorgung fressen wachsende Teile des Lohnes auf. Es gibt nicht wenige Menschen, die 40 bis 60 Prozent ihres Einkommens allein für die Wohn- und Energiekosten aufbringen müssen.
Verursacht wurde diese Entwicklung von einer Politik, die der neoliberalen Doktrin folgend die Lösung der Wohnungsfrage weitgehend dem Markt überlassen hat. Der soziale Wohnungsbau wurde bereits in den 1990er Jahren dezimiert und danach fast auf null gefahren. Dadurch fallen jedes Jahr mehr Wohnungen aus der Sozialbindung als neue hinzukommen. Die gegenwärtige Wohnungsförderung ist in hohem Maße Eigentumsförderung und völlig ungeeignet, den Mangel an bezahlbaren Wohnungen zu beseitigen.
Linke Wohnungspolitik muss deshalb den Ausbau der Sozialwohnungen in den Vordergrund stellen. Jedoch in öffentlicher oder genossenschaftlicher Hand. Die Sozialbindung muss für die gesamte Lebenszeit gelten, nicht nur für 15 Jahre. Das ist eine klare Alternative zur steuerlichen Begünstigung privater Investoren, die dann zwischen zehn Luxuswohnungen eine Sozialwohnung bauen, bei der die Sozialbindung nach eineinhalb Jahrzehnten endet. Die zweite wichtige Forderung ist die Deckelung der Mieten durch Mietobergrenzen. Es reicht nicht aus, den Anstieg der Mieten zu bremsen. Sie sind in den meisten Städten und Ballungsräumen schon viel zu hoch. Mieter*innenrechte müssen gestärkt und die Umlage von sogenannten Modernisierungsinvestitionen auf die Mieter*innen untersagt werden. (...)
Die Eigentumsfrage muss gestellt werden
Auch die Caritas hat 2018 eine Kampagne unter dem Motto <link https: www.caritas.de magazin kampagne zuhause-fuer-jeden startseite _blank external-link-new-window>"Jeder Mensch braucht ein Zuhause" auf den Weg gebracht. "Wir brauchen mehr sozialen Wohnungsbau" und "Menschenrecht auf Wohnen" sind die zentralen Forderungen. Die Berliner Initiative <link https: kottiundco.net _blank external-link-new-window>Kotti & Co. ist zum Synonym einer umfassenden Bewegung geworden. Mancherorts wird längst die Frage aufgeworfen "Wem gehört die Stadt?" beziehungsweise das "Recht auf Stadt" gefordert. Dabei wird die Forderung nach bezahlbarem Wohnraum verbunden mit Konzeptionen für eine umfassende soziale und ökologische Stadtentwicklung.
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Jue.So Jürgen Sojka
am 18.08.2019auf der SWR Aktuell Internetseite wird am 16.08.2017 mit Kommentarmöglichkeit veröffentlicht:
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