Wenn ein Film einem Buch gleicht, nennt sich das landläufig Verfilmung eines Buches. Wenn ein:e Filmemacher:in sich an einem geschriebenen Werk nur orientiert, heißt es in Abspännen gerne "nach Motiven von ...". Und dann ist das mit dem Autoren oder der Autorin auch besprochen und verhandelt. Wenn allerdings ein Film einem Buch gleicht, das er mit keinem Wort erwähnt – was ist das dann?
Derzeit läuft in den Kinos der Film "Cranko" von Joachim Lang. Im Auftrag der Produktionsfirma Zeitsprung Pictures und des SWR hat Lang das Leben von John Cranko verfilmt. Der Choreograf, der von 1960 bis zu seinem Tod 1973 das Stuttgarter Ballett zu Weltruhm geführt hat und der bis heute von der Ballettszene tief verehrt wird, war ein wilder Charakter, ein beseelter Künstler, depressiv, alkoholkrank, lebenslustig und charmant. So weit, so einig die Ballettexpert:innen und Ballettbegeisterten. Bis heute werden Cranko-Choreografien am Stuttgarter Großen Haus aufgeführt, andere Compagnien müssen viel Geld bezahlen, wenn sie das machen wollen. Dieses Geld fließt dann an die John-Cranko-Stiftung des einstigen Crankofreundes Reid Anderson (Kontext berichtete).
Kurz und gut: Wenn es um Cranko geht, vor allem in Stuttgart, sind viele Menschen hin und weg und stets fallen irgendwann die Worte "Genie" und "Ballettwunder". Der Filmemacher Joachim Lang hat sich nun dieses Mannes angenommen und den Film "Cranko" gedreht, auch für das Drehbuch zeichnet er verantwortlich. In zwei Stunden und acht Minuten wird Crankos Leben in Stuttgart abgehandelt, klassische Spielszenen wechseln sich mit Ballettszenen ab, entweder sind Ausschnitte aus Aufführungen zu sehen oder die Compagnie des Stuttgarter Balletts tanzt vor dem Opernhaus, auf einer Wiese, auf einer Parkbank.
Einer Kritikerin fallen die Ähnlichkeiten auf
Zur Premiere des Films im Stuttgarter Opernhaus präsentierten sich Filmemacher, Produzent:innen, Darsteller:innen auf einem roten Teppich. Die "Stuttgarter Zeitung" titelte "Für eine Nacht liegt Cannes am Eckensee", fabulierte vom "schönsten Opernhaus der Welt" und "traumhafter Kulisse". Das Publikum habe geweint, minutenlang Standing Ovations gegeben und eine Ex-Tänzerin wird zitiert, der Film habe einen Oscar verdient. Im Oktober lief er recht erfolgreich in den Kinos an, die zahlreichen Rezensionen sind überwiegend positiv, nur wenige wie die FAZ befinden, "es gibt wohl wenig Klischees über Kunst, die in diesem Film nicht vorkommen." Auf dem Branchenportal "Tanznetz.de" zieht die Kritikerin Annette Bopp – ihren Ausführungen nach zweifellos ein Cranko-Fan – ein durchmischtes Fazit und schreibt über Szenen und Dialoge, "die überdies an nicht wenigen Stellen an den Roman 'SeelenTanz' von Thomas Aders erinnern".
14 Kommentare verfügbar
Bernhard
am 02.12.2024auch wenn Sam Riley als Cranko das durch seine sehr gute Darstellung Wett machen kann.
Bei dem Film zeigt sich wieder: Egal wie aufwändig produziert wird, ohne eine wirklich gute…