
Gleich werden zwei Welten aufeinanderprallen! In der einen Welt, einer migrantisch geprägten Betonblocksiedlung irgendwo draußen am Rand der Stadt Frankfurt, wohnt Naima Hamid (Nilam Farooq), und von dort aus macht sie sich nun auf zur Grenzüberschreitung. Nein, das ist kein bewusster Entschluss – sie will eigentlich nur, als wäre das selbstverständlich, zur Jura-Vorlesung an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, und wenn die Rapmusik, die sie auf ihrem Weg dorthin begleitet, ihr auch ins Gebäude hinein folgt, dann bringt Naima ihre Welt quasi mit. Im großen Hörsaal aber wartet die andere Welt auf sie in Gestalt von Richard Pohl (Christoph Maria Herbst), einem militärisch kurzgeschorenen Professor, der wie die Allegorie gebildeter Arroganz auftritt.
Diesem schneidigen Anzug-und-Krawatten-Mann mit den spitzen Äuglein kommt die junge Jeans-Trägerin, die sich auch noch verspätet hat, gerade recht. Bevor Naima, die sich leise hineinschleichen wollte, einen Platz gefunden hat, stellt er sie. Genauer: Professor Pohl stellt Naima vor vollem Saal zur Rede, und alles, was sie nun als Entschuldigung vorzubringen versucht, zerfetzt er sogleich mit sadistischer Lust. Zynisch, sarkastisch und spitzfindig führt er diese Studentin vor in einem schneidenden Ton, der Sätze scharf macht wie Mundgranaten. Naima gehört für ihn ja sowieso nicht hierher, sie passt nicht zu dem, was er als "meinen Kulturkreis" bezeichnet. Seine sophistisch verkleideten Tiraden aber finden sofort ihren Weg ins Netz. Und jetzt ist die Frage, ob Professor Pohl selbst sich in der Welt, die er als die seine betrachtet, noch halten kann.
Wortmanns "freundliche Übernahmen"
Sönke Wortmanns "Contra" ist das Remake des französischen Films "Le Brio" (2017), der unter dem Titel "Die brillante Mademoiselle Neila" auch bei uns kurz in den Kinos zu sehen war. Wortmann ist also eine Art Eindeutschungsspezialist – er hat im Jahr 2018 schon die französische Boulevard-Komödie "Der Vorname" adaptiert, in der eine Tischgesellschaft darüber streitet, ob man seinen Nachwuchs Adolf nennen darf. Seltsamerweise wurde dieser Plot durch seine Eindeutschung eher entschärft oder wie ein Kritiker anmerkte "vermerkelt." Auch der Film "Contra", in dem Professor Pohl von der Unileitung dazu verdonnert wird, die Studentin Naima für Debattierwettbewerbe zu schulen, schleift Ecken und Kanten ab und ist sehr auf Versöhnung aus. Man könnte Wortmann also das Delikt "freundliche Übernahme" vorwerfen.
Vor gut zwei Jahrzehnten jedoch hat derselbe Sönke Wortmann den deutschen Universitätsroman "Der Campus" adaptiert und zwar ganz im Sinne des Autors und Professors Dietrich Schwanitz. Der hat selbst an der Hamburger Universität gearbeitet und schildert in seinem Buch mit Insiderwissen und bösem Witz die Affäre eines Professors mit einer Studentin, die durch Interessen, Intrigen und politische (Über-)Korrektheiten aufgebauscht, verfälscht und zum Missbrauchsfall erklärt wird. "Der Campus" war ein Bestseller, auch der Film wurde zum Erfolg, unter die lobenden Kritiken aber mischten sich damals auch Stimmen, die "antifeministische Klischees" ausmachten.
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Gerald Fix
am 30.10.2021