Wie es wohl ihren Partnern in Mumbai von der Mehli Mehta Music Foundation erginge, fragte sich Ulrike Stortz, die im Stuttgarter Kammerorchester seit 2015 nicht nur Violine spielt, sondern auch mit Katharina Gerhard das Vermittlungsprogramm SKOhr-Labor aufgebaut hat. Das 1945 vom Dirigenten Karl Münchinger gegründete Streichorchester hat in neuerer Zeit seinen Radius musikalisch und geographisch erheblich erweitert. Weltweite Tourneen führten im letzten Jahr beispielsweise in mehrere asiatische Länder, darunter Indien. Ulrike Stortz nimmt dann jeweils schon im Vorfeld Kontakt auf mit Partnern vor Ort, um gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen.
Die 1995 ins Leben gerufene Mehli Mehta Music Foundation, benannt nach dem Dirigenten, Violinisten und Begründer des Bombay Symphonieorchesters, dessen Sohn Zubin Mehta in den USA noch berühmter wurde als er, ist eine in Indien einzigartige Einrichtung für westliche klassische Musik. Sie organisiert Konzerte und unterrichtet Kinder und Jugendliche in Gesang und Streichinstrumenten. Viele Kinder stammen aus der Oberschicht, sagt Stortz, doch die keineswegs niedrigen Gebühren verwendet die Stiftung auch, um begabten Kindern aus armen Familien Zugang zu verschaffen.
Gerade sie sind von den Einschränkungen nun besonders betroffen. Und auch für die anderen findet derzeit natürlich kein Musikunterricht statt. Deshalb war es für die Chorleiterin Salome Rebello auch überhaupt keine Frage, ob sie einem gemeinsamen Projekt in der Krise zustimmen würde. "Die Mehli Mehta Musikstiftung Mumbai ist begeistert, für Sie A. R. Rahmans berühmtes Lied 'Jai Ho' zu spielen", kündigt sie das Video an, "ein Lied über Erfolg und die Überwindung von Herausforderungen."
"Jai Ho" ist das Schlusslied des vielfach preisgekrönten Films "Slumdog Millionaire". Zu den acht Oscars, die der Film 2009 gewann, gehört auch der für den besten Song – eben "Jai Ho", ein Lied, das am Ende mit Tanzeinlagen den Aufstieg des 18-jährigen Slumbewohners Jamal Malik feiert, der in der Fernsehsendung "Who Wants to Be a Millionaire?" den Hauptgewinn ergattert. Dass nur dieses Lied infrage käme, um den Jugendlichen wieder Mut zu machen, war Rebello sofort klar.
Die Schwierigkeiten waren eher technischer Natur. Alle Stimmen sind einzeln aufgenommen. Die Streicher haben zur rhythmischen Abstimmung einen Clicktrack im Ohr. Den Sängerinnen und Sängern singt Rebello ihre Stimme im Ohrhörer vor, damit sie auch die Tonhöhe halten. Der Junge im Slum, der sonst immer in die Stiftung zum Üben kam, verwendet wohl eine ganz billige, alte Geige, vermutet Stortz, denn die Luftfeuchtigkeit ist für die Instrumente zerstörerisch. Trotz Clicktracks liefen freilich die Stimmen im Tempo etwas auseinander. Es war die Aufgabe der Ton- und Videotechniker Thiemo Hehl und Torsten Truscheit, die Videobilder der Sänger und Musikerinnen zusammenzupuzzeln und die Tempo-Schwankungen wieder auszugleichen.
Die Begeisterung ist den Teilnehmern anzusehen. Und das Projekt soll nicht das letzte sein, das Ulrike Stortz im Zuge der Corona-Krise mit dem SKOhr Labor und ihren indischen Partnern realisieren will. In Delhi waren Kinder, die in beengten Verhältnissen zuhause festsitzen, aufgefordert, zu erzählen, wie es ihnen dabei ergeht. Diese Geschichten will das Kammerorchester nun, mit Musik durchsetzt, ebenfalls als Video veröffentlichen.
Mehr unter:
www.stuttgarter-kammerorchester.com
www.facebook.com/sko.stuttgart/
www.instagram.com/sko.stuttgart/
www.youtube.com/user/StgtKammerorchester
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