Folge 37: Vorhang auf für Tamara Kapp aka Mireille Marteau, People are Strange
Sonntag, 10. Mai
Tamara Kapp ist eine multiple Persönlichkeit. Zumindest in künstlerischer Hinsicht. Sie malt, zeichnet, fotografiert, filmt und macht – und das nicht zu knapp – Musik. Als Ein-Frau-Band "Singsong-Girl" pendelt sie zwischen Chanson, Elektro und Punk und bettet ihre Songs in kleine Animationsfilm-Kunstwerke, in dem schrägen Post-Proto-Noise-Punk-Duo "Der Schöne und die Biest" huldigt sie, an Schlagzeug und Gesang, dem gepflegten Lärm, und seit kurzem ist sie auch noch "Mireille Marteau". Nach den ersten an die Sängerin Mireille Mathieu erinnernden Silben kommt sozusagen der Hammer, denn das bedeutet "Marteau" auf französisch. Was aber nichts mit einem besonders brachialen Musikzugang zu tun haben soll – "es musste einfach ein doofer Name her", sagt Kapp und lacht.
Anfang April, schon in der Corona-Zeit, entstand diese neue musikalische Identität. "Ich wollte eigentlich Videos mit Drum-Covers machen und habe mir als erstes einen Beatles-Song, 'Something' herausgesucht. Der wurde aber sofort wegen der Rechte auf Youtube gesperrt", erzählt Kapp. Sie suchte weiter nach Songs, wo keine Probleme zu erwarten waren, stieß erst auf Bonnie Tylers "It's a Heartache", das wurde zum ersten Mireille-Marteau-Video, und dann auf "People Are Strange" von den Doors – dem sie in der hier präsentierten Fassung auch noch eine französische Strophe spendiert. Passt ja auch irgendwie zu den strangen times gerade. Und passend zu denen trägt Kapps Alter Ego am Bass auch Mundschutz, aber mit, Rock'n'Roll halt, Kippe. Das Video hat sie auch hier selbst gemacht, hat sich dabei nicht nur zur Band, sondern auch noch zu einer Tänzerinnentruppe vervielfältigt.
"Ich bin als Punk groß geworden", sagt Kapp, das Do-It-Yourself-Prinzip hat sie verinnerlicht, "ich mache einfach". In Luxemburg ist sie aufgewachsen, der Hang zur Kunst war immer schon da, Malen und Zeichnen zuerst. Malerin war das große Ziel, nach dem Abitur bewarb sie sich bei drei Kunstakademien in Deutschland, "in Stuttgart wurde ich zur Prüfung zugelassen", also ging sie 1993 dorthin. Und blieb. Zur Musik kam sie erst hier; auf einer Party lernte sie Friz, den Bassisten der Stuttgarter Noise-Rock-Kultband Wank kennen, "er sagte zu mir: Wie wär's, lern doch mal Bass", erinnert sich Kapp. Sie lernte, begann auch zu singen. Vor vier Jahren kam noch das Schlagzeug dazu, wo sie nach eigenen Angaben noch eher dilettiert.
"Crossmedia-Künstlerin" nennt sich Kapp selbst, kombiniert gerne die Genres. Ihre Musik begleiten neben selbstgemachten Videos auch noch selbstgezeichnete CD-Cover und Tonträger – jede CD ist dabei ein Unikat, ist von Hand mit einer anderen Zeichnung gestaltet – und die Konzertplakate macht sie natürlich auch. Daneben hatte sie auch schon Dutzende Ausstellungen mit ihren Zeichnungen und Gemälden, deren schräg-grotesker Charme bisweilen leicht an die Bildwelten von US-Regisseur Tim Burton erinnert.
Trotz dieser breiten künstlerischen Aufstellung kann Kapp von der Kunst allein längst nicht leben. Dank einer Luxemburger Spezialität, dem "Statut d'artistes", einem monatlich zu beantragenden Grundeinkommen für Künstler, kommt sie aber über die Runden und verdient sonst dazu "mit mal Plattenauflegen, Putzen oder Tiere Versorgen". Corona hat daher ihre Einkommenssituation noch nicht allzu bedrohlich verändert, seit Beginn der Maßnahmen ist sie allerdings nicht mehr in Stuttgart, sondern in Rheinland-Pfalz bei ihrer Mutter, hilft dieser im Alltag. Die Wohnung in Stuttgart hat sie noch, mehr als die fehlt ihr aber momentan etwas anderes: "Ich gehe gerne in Kneipen, treffe Leute. Da habe ich langsam richtig Entzugserscheinungen."
Mehr von Tamara Kapp auf ihrer Homepage. https://tamaraka.jimdofree.com/
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!