Dieser Tillschneider ist nicht irgendeiner. Der amtiert als sogenannter bildungspolitischer Sprecher. Wie er sich eine Eröffnungsfeier vorstellt, hat er auch gesagt. Halt wie in Sotschi – mit "geschmackvollen Ballettdarbietungen auf höchstem Niveau, farbenfroh und doch ausgewogen, Hunderte schlanke Tänzerinnen und Tänzer, schöne Männer und Frauen, die sich voller Leichtigkeit harmonisch bewegten". Ist ja auch kein Wunder, wenn einer Kolumnen für eine Moskauer Propagandazeitung schreibt.
Hauptsache Hass
Bitte nicht falsch verstehen. Ich schreib das Geplärr nur wörtlich hin, um dir ein Bild zu geben, wie sich die AfD ein teutsches Sportereignis vorstellt. Ich sag mal so: Leni Riefenstahl reloaded – im Soundtrack das rollenden R von Stadionsprecher Alexander Eichwald. Das sind die Medaillenträume der AfD: weiß, reinrassig, völkisch. Keine Vielfalt, keine Inklusion. Und genau so wurde die Broschüre vom "Arbeitskreis Sport der AfD-Bundestagsfraktion" bebildert. Dort wo die Partei vor ein paar Jahren ihre sogenannten sportpolitischen Thesen hineinstotterte. Da sind Fotos drin, so reinrassig als hätte Tillschneider persönlich den KI-Fotogenerator bedient. Lesen muss man die Broschüre nicht. Du schläfst fast ein. Es steht kaum Erhellendes drin. Lauter volkstümliche Positionen. Sportstätten sollen gebaut werden. Ziele im olympischen Medaillenspiegel sind definiert. Sport sei wichtig für die Volksgesundheit. So Zeugs halt. Inhaltlich so mausgrau wie die Altkleider-Anzüge, die sie tragen. Umformulierte Positionen von anderen Parteien oder Verbänden. Im Satzbau halt umständlicher, damit sich's etwas holpriger liest und bedeutungsvoller anhört.
Im Sport wie anderswo: Inhalte werden bei der AfD sowieso überbewertet. Dieses parteigewordene Schneeballsystem des Menschenhasses kommt ja an so vielen Stellen ohne eigene Positionen aus. Diskussion ist nicht erwünscht. Warum auch? Demokratische Strukturen sollen schließlich zerstört werden. Konstruktive Vorschläge würden dabei nur schaden. Die AfD weiß ja allzu gut, warum sie nichts Aufrichtiges in ihr Heftle reinschreibt. Weil es praktischer ist, wenn du den Sport von unten übernehmen willst, wenn du verschweigst, dass du weite Teile der Athletinnen und Athleten am liebsten in die Remigration schicken würdest. Und hier lauert die eigentliche Gefahr. Der parlamentarische Arm der vereinigten Faschos tut nur obenrum harmlos. Untenrum fluten sie das System mit Scheiße. Also ganz anders als 33. Damals haben sie den Sport von oben nach unten umgekrempelt. Wobei damals die Vereine im vorauseilenden Gehorsam ihre jüdischen Mitglieder ausgeschlossen haben. Das ist heute anders.
Der AfD darfst du gar nichts glauben, dem Höcke gleich zweimal nicht. Der angebliche Sportlehrer hat ja vor Jahren zugegeben, dass es ihm reicht. Wörtlich: "Ich bin fertig mit diesem postdemokratisch transformierten Fußballsport, dem aus jeder Pore die Regenbogenideologie quillt." Wenn's denn so wäre. Die Strategie ist eine andere. Die funktioniert wie die gröbstmögliche Unsportlichkeit, richtig fies. Etwa so wie beim Boxen. Nur, dass du den Gegner nicht siehst. Stell dir also vor, du stehst in der roten Ecke. Drüben in der grauen Ecke sollte dein Gegner stehen. Aber da steht keiner. Bevor du dir Gedanken machen kannst, was das soll, zack, kriegst du eins in die Weichteile gezimmert, von einem unsichtbaren Dreckskerl. Du gehst zu Boden. Acht, neun, aus, vorbei. Jetzt hast du zwar begriffen wie AfD funktioniert: mit Tarnkappe und komplett regelbefreit. Aber die Erkenntnis nützt dir nichts mehr. Während du den Gegner suchst, schlagen die Rechtsextremen woanders zu: bei den Sportvereinen an der Basis – mit ihrer üblichen unsichtbaren Mischung aus besorgten Bürgern, digitalen Bots und unauffälligen Wegsehern. Manchmal sind handfeste Rechtsextremisten dabei, hübsch tätowiert mit allerlei kryptischen Abzeichen. Aber haha, die haben ja nichts mit der AfD zu tun. Haha, angeblich. Die Mischpoke ist nur unsichtbar verbunden: durch Zerstörungslust und Regenbogenhass. Was, andersrum betrachtet, wiederum das Schöne am Regenbogen ist. Er lockt die Rechten an. Klar, wer nur mausgrau denkt, fürchtet die Farbe wie der Vampir den Knoblauch.
Mit untätigen Grüßen von Ihrem Sportverband
Abgesehen davon muss man sagen, dass bei der AfD der Spaß ein Loch hat. Denn Vereine und Verbände müssen verdammt aufpassen jetzt. Und überall gibt's Nachholbedarf. Zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern, wo Mannschaftskapitäne gelegentlich mit Binden in Schwarz-Weiß-Rot und der Aufschrift "Führer" aufs Spielfeld laufen. Zum Beispiel in Berlin, wo sich der regionale Fußballverband BFV weigert, die Rückennummer 88 zu verbieten. Fadenscheinige Begründung: BFC Germania als einer der ältesten deutschen Fußballvereine wurde 1888 gegründet. Dem könne man 88er-Trikots doch nicht verbieten! Das musst du dir vorstellen: Da gibt's längst Sportlerinnen und Sportler, die richtig Angst haben, wenn sie im Mittelfeld mit einem Heil-Hitler-Kämpfer in den Zweikampf gehen müssen. Mit freundlicher Untätigkeit des zuständigen Verbands. Nachholbedarf gibt's auch in Westfalen, wo der SK Bochum das angesetzte Spiel gegen den WSV Bochum 06 boykottierte, zumindest so lange der mit einem stolz prahlenden Neonazi aufläuft, dessen menschenfeindliche Ansagen man besser nicht zitiert. Das schert den Verband aber erst, als sich die halbe Kreisklasse mit dem SK solidarisiert.
Die Liste der Beispiele könnte ich spielend verlängern. Doch der größte aller Misthaufen liegt woanders. Du darfst nämlich nicht übersehen, dass wir alle vom Großteil der rassistischen und rechtsextremen Vorfälle gar nichts wissen. Das liegt zum einen daran, dass bei den Verbänden Meldestellen fehlen – und selbst dort, wo sie eingerichtet sind, wird nur ein Bruchteil von dem angezeigt, was tatsächlich passiert. Sei es aus falsch verstandener Fairness oder aus Furcht, in etwas hineinzugeraten, was dem eigenen Verein am Ende schadet. Nur wenige trauen sich an die Öffentlichkeit. Überflüssig zu betonen: Bei jedem rassistischen Vorfall, der unter der Oberfläche gehalten wird, klatscht die AfD stillen Beifall. Weil jeder dieser nichtgemeldeten Fälle als willkommener Beitrag zur Einschüchterung der Ehrenamtlichen beklatscht wird. Zum Beispiel, wenn die mausgrauen Gemeinderäte von engagierten Sportvereinen "Neutralität" einfordern, wenn sie ihre finanzielle Unterstützung der Vereine in Frage stellen oder bei der Verwaltung rumnörgeln, sie solle gefälligst die Gemeinnützigkeit prüfen. Was in 100 von 100 Fällen nur Schattenboxen ist und überhaupt nichts bringt – außer Ärger für den Verein.
Lass dich bitte nicht von denen verarschen. Der übliche Hass halt, übermalt mit Farbe aus einem preisgünstigen Eimer. Coloration "mausgrau exquisit". Nur weil manche in irgendwelchen politischen Gremien sitzen, musst du nicht neutral bleiben. Bitte nicht. Nur mal so: Im Grundgesetz wirst du den Begriff Neutralität nicht finden. Und im Vereinsrecht schon gar nicht. Im Gegenteil. Verbände und Klubs dürfen und sollen sich mehr engagieren, als viele denken. Auch und gerade politisch. Die gute Nachricht: Viele tun das längst. Schau dir nur mal den Württembergische Landessportbund (WLSB) an. Die machen das wirklich gut.
Verband als Vorbild: So funktioniert's
"Die AfD will eine andere Republik. Die AfD ist ein Gegner des Sports." Der Satz stammt von Andreas Felchle, dem Präsidenten des WLSB. Wär ich Oliver Kahn, würd' ich schreiben: Der hat Eier. Der Felchle stellt sich auch in der Öffentlichkeit in den Wind. Darum ist auch die WLSB-Erklärung, die im Netz steht, absolut eindeutig. Für Weltoffenheit. Gegen Diskriminierung. Und nicht, dass du jetzt denkst, solche Erklärungen sind nur was für langweilige Sonntagsreden. Von wegen. Du solltest schon sauber formulieren, für was du stehst und für was auf gar keinen Fall. Damit du eine Handhabe hast für Sanktionen oder gar Ausschlüsse, wenn du mal strammrechte Kandidat:innen hast, die oder der bei dir im Verein an vorderster Front mitmischen will. Außerdem brauchst du die klaren, einfachen Sätze für deine Vereinsmitglieder. Da könnten ja manche dabei sein, bei denen noch was zu retten ist, die vielleicht den Mist der AfD nur deshalb nachplappern, weil sie es wirklich nicht besser wissen.
An dieser Stelle will ich nicht verschweigen, dass auch der DOSB die Gefahr erkannt hat. Ich spreche jetzt vom Deutschen Olympischen Sportbund. Die haben ein Gutachten anfertigen lassen, das du abrufen kannst. Darin enthalten: Der Nachweis, dass es logisch ausgeschlossen ist, gleichzeitig Mitglied in der AfD und Mitglied in einem Sportverein zu sein. Weil Zielkonflikt. Politikwissenschaftler Richard Gebhardt hat das Gutachten geschrieben. Sein Fazit: Der Kampf fängt in den Verbänden und Vorständen an. Gebhardt wörtlich: "Dadurch verschwindet der Rassismus nicht. Aber die Signale des Vorstands prägen die politische Kultur auf Mitgliedsebene." Der Gutachter empfiehlt eine Doppelstrategie. Einerseits Dialog mit AfD-affinen Mitgliedern (eben weil bei denen noch was zu retten ist), andererseits klare Kante bei rechtsextremen Funktionären. Und allen Zweiflern sei's gesagt: Deplatforming! Also bitte den Mausgrauen keine Bühne hinstellen und schon gar kein Mikro. Es sei denn, es lässt sich juristisch nicht anders regeln. Aber auch nur dann.
Die Wirkung des Regenbogens
Apropos Best Practise und weil ich's vorher davon hatte, dass niemand neutral sein muss. Es gibt ja auch keinen Paragraphen, der mich als Kolumnisten zur Neutralität verpflichtet. Schon gar nicht in sportlicher Hinsicht. Darum kann ich abschließend meinen höchst wunderbaren Herzensklub VfB Stuttgart erwähnen. Also den mit der 0:5-Klatsche am Wochenende. Den und seine Fans muss man eigentlich täglich loben. Und zwar wegen des Trikots mit den Regenbogenfarben als Brustring. Zugegeben, das Trikot hat schon ein paar Waschgänge auf dem Buckel, aber Wirkung: immer noch top! Denn die Leutchen mit den mausgrauen Beschränkungen sind ja nicht komplett doof. Die haben schon kapiert, dass es beim VfB nichts zu ernten gibt. So ein Regenbogen, das kann ich dir aus eigener Erfahrung sagen, der kann auch dich schützen in so vielen Lebenslagen. Du musst nämlich nur in den Regenbogen schauen, dann ist es weg. Also dieses Bild, das ich vorher aus Versehen in die Welt gesetzt habe, das von diesem eigenartigen Mischwesen: Frau von Storch im Jogginganzug.
Zum Weiterlesen: die Erklärung des Württembergischen Landessportbundes für Weltoffenheit und gegen Diskriminierung und die Studie von Richard Gebhardt "Die umkämpften Werte des Sports".
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