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Spielzeit abgelaufen

Fertig, aus, Feierabend

Spielzeit abgelaufen: Fertig, aus, Feierabend
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Es gilt, das Ende der Sportkolumne zu beweinen. Nix mehr "Brot und Spiele" hier künftig. Unser Autor verabschiedet sich.

Die heutige Kolumne ist die laufende Nummer 88 seit Beginn der unter dem Titel "Brot und Spiele" hier regelmäßig erscheinenden Texte – und sie ist gleichzeitig die letzte, also quasi Abschiedsvorstellung, Grande Finale, fertig, aus, Feierabend. Dass das Ende ausgerechnet mit den beiden Ziffern kommt, die schon der von so vielen als der allergrößte Sports- und Gentleman vergötterte italienische Supertorwart Gianluigi Buffon sich seinerzeit als Rückennummer auf sein Fußballtorwarttrikot flocken ließ, das haben die geschätzten und ganz überwiegend eher sportfernen Kolleginnen und Kollegen in der Kontext-Redaktion sicher nicht bedacht. Wahrscheinlich haben sie aber gar nicht die laufenden Nummern mitgezählt, warum sollten sie auch?

Warum allerdings Buffon damals in der Saison 2000/2001 beim AC Parma ausgerechnet die 88 als Rückennummer wählte, das hätte in all den Jahren durchaus auch mal ein wenig hartnäckiger hinterfragt werden dürfen als dieses einzige Mal auf einer vom Torwart selbst einberufenen Pressekonferenz, wo Gigi dann angeblich antwortete, er habe eigentlich die Doppelnull gewollt, weil sie ihn an zwei Eier erinnerte – und nur, weil das nicht möglich war, habe er dann die 88 genommen, die ihn sogar gleich an vier Eier erinnert habe. Also Eier im Sinne des Torwartkollegen Kahn ("Eier, wir brauchen Eier!"). Der italienische Fußballverband hat übrigens im letzten Jahr, im Juli 2023, die Rückennummer 88 im italienischen Fußball grundsätzlich untersagt. Aber nicht, weil sie die Leute an vier Eier erinnere …

Es gibt viel zu tun ...

Die Kolumne grade jetzt abzusägen ist natürlich ein mehr als unpassender Zeitpunkt. Fanproteste im deutschen Fußball erfolgreich, Investoreneinstieg zunächst verhindert, wann fliegen die nächsten Tennisbälle, kommt die Super League jetzt umso schneller, trennt sich die erste Liga ab, vermarkten Clubs sich bald selbstständig? Der großartige VfB Stuttgart auf dem Weg in die Champions League, wer soll jetzt hier in der sogenannten linken Gegenöffentlichkeit dem Presidente huldigen dafür, dass er den Club wider aller Widrigkeiten, wider gar der permanenten Querulanz aus dem eigenen Präsidium durch die Askese zur Freude führen konnte? Wer soll die Tatsache anprangern, dass Claus Vogt noch immer nicht ins "Aktuelle Sportstudio" des ZDF eingeladen und dort zum offiziellen Nachfolger des Frankfurter Lebemanns Peter Fischer in der Kategorie "Volkstribunigster Vereinspräsident" gekürt wurde?

Die Fußball Europameisterschaft der Herren im eigenen Land steht an, möglicherweise das letzte Turnier für Traditionalisten und Nostalgiker, das für die Nagelsmänner erfolgreich zu gestalten sogar der erfolgreichste deutsche Spieler aller Zeiten und weltweit führende Kurzpassspezialist Toni Kroos sich nicht nehmen lässt. Nicht zu vergessen die Tour de France, wo zwischen den Herren Vingegaard, Pogacar, Roglic und Evenepoel ein epischer Vierkampf um den Sieg zu erwarten ist, wie es ihn vielleicht noch überhaupt nie gegeben hat. Und die olympischen Sommerspiele in Paris ebenfalls keine sportliche Kleinigkeit.

Angesichts all dieser so zentralen Sportereignisse den demnächst ehemaligen Kolleginnen und Kollegen bei Kontext Ignoranz, Bräsigkeit, galoppierendes Schmoren im eigenen Saft vorzuwerfen oder gar, wie aus einschlägigen Kreisen eidgenössischen universitären Gelehrtentums gefordert, ein "Feuerwerk der Eitelkeiten" zu zünden, liegt mir fern. Freilich sei jedoch gleich in mehreren der vorgenannten Zusammenhänge laut und deutlich, quasi in fettgedruckten Majuskeln auf den großartigen Kollegen Oliver Wurm verwiesen, der neben etlichen anderen hervorragenden Projekten nicht nur das Buch "Du hattest 90 Minuten Zeit – 90 verdammt gute Fragen an Toni Kroos", sondern auch das Magazin "Paris.24 – Olympia und Paralympics 2024" herausgebracht hat. Beide sowie alle anderen Projekte erhältlich unter www.fussballgold.de, und wer bitteschön wollte mich daran hindern, hier für diese Dinge ganz unverblümt zu werben und eine glasklare Kaufempfehlung auszusprechen?

... wer packt es an?

Künftig also nix mehr "Brot und Spiele" hier, ich danke Josef-Otto Freudenreich, dem alten Haudegen, dafür, mich einst in diese geradezu sportaverse Kontext:Wochenzeitung mit sanftem Druck hineingeschoben und damit regelmäßige Betrachtungen zum Verhältnis zwischen Sport und Kommerz ermöglicht zu haben, das ja gerade am Redaktionssitz Stuttgart mit dem VfB Stuttgart, seinen Vereinsmitgliedern, seinen Funktionären und seinen Investoren Mercedes Benz und Porsche geradezu exemplarisch immer wieder zeigt, wie hier zwischen Sport und Kommerz von allen Seiten gefuchst wird. Dank gebührt auch all den anderen Kolleginnen und Kollegen, die meine Texte mal mit mehr mal mit weniger Vergnügen zu redigieren hatten und die jetzt möglicherweise erleichtert durchatmen, dass dieser alte weiße Sportkolumnist nun endlich Geschichte ist. Das Thema freilich, Sport und Kommerz, Brot und Spiele – das lassen sie hoffentlich auch in Zukunft möglichst häufig beleuchten. Es ist nämlich ein durchaus spannendes. Vielleicht findet sich ja eine jüngere Kollegin, ein jüngerer Kollege, hier weiterhin sich zu exponieren.

Wann, wie, wo und ob ich überhaupt kolumnenmäßig weitermäandern werde, das wird sich zeigen. Jetzt aber erstmal Pause. Gehaben Sie sich wohl, wählen Sie grün (das sind nämlich die einzigen, die es wenigstens versuchen), bewegen Sie sich, und bleiben Sie mir gewogen.

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10 Kommentare verfügbar

  • D.
    am 13.03.2024
    Antworten
    Sorry, wir dachten das wäre ein Witz, mit dem aufhören . In dem Sinne, dass " alles super ist und es somit nichts mehr zu schreiben gibt".

    Wieso wenigstens keine 100.
    Der Schreibstil war immer äußerst niveauvoll. Im Gegensatz zu den 0815 Worthülsen der sonstigen Presse. Nicht umsonst wird…
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