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Besondere Helden

Vielen Dank, Jogi!

Besondere Helden: Vielen Dank, Jogi!
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Kalt duschen gegen Corona. Vorsicht, Leute, wir sind nicht in den Subtropen. Auf dem Sofa rumliegen kann auch nicht jede/r. Alle Freiheiten haben nur die Nationalkicker, die uns endlich ein "Querdenker"-freies Thema beschert haben.

Mach' Sport, haben sie gesagt. Geh' raus, beweg' dich, Joggen, Kicken, Tennis, Wandern, das hält dich gesund und stärkt die Abwehrkräfte. Ganz besonders, wenn du obendrein noch kalt duschst. Jetzt haben sie den Sport aber verboten, zumindest Kicken und anderen Teamsport. Bleibt Joggen und Wandern. Und kalt duschen.

Aber Achtung: Wer auch immer Ihnen den Bären mit dem kalt Duschen aufgebunden hat – bloß weil die dünnen Yogibären und Gurus in den Subtropen bei 35 Grad Lufttemperatur und 95 Prozent Luftfeuchtigkeit das täglich fünf Mal machen, funktioniert es hier noch lange nicht. Denn bei uns, Freunde der Nacht, da ist es vor allem zwischen Oktober und April öfter mal kühl draußen, da muss der Körper arbeiten, da ist das nicht so einfach. Wenn da das Immunsystem nicht picobello in Schuss und in Ordnung ist, dann wird man bisweilen sogar krank vom kalt Duschen. Erkältung und Schnupfen, unter Pandemiebedingungen gleichbedeutend mit jetzt erst recht niemanden mehr treffen, nicht mal den Knuffelkontakt.

Außer man ist so hart wie Digital-Doper Kai Diekmann, der bisweilen Hipsterbärtige, die Storymaschine, der frühere Kanzlerflüsterer und Boss von "Bild" und Silicon Valley-Experte und was weiß ich nicht alles. Von ihm sehen wir regelmäßig unregelmäßig ein Selfie frühmorgens im eiskalten See. Vor dem Eisbad läuft er sicher noch einen Halbmarathon, mindestens. Darf man so einen öffentlich Arsch nennen? Ich würd's glatt machen, wenn ich's dürfte. Und zwar nicht, weil dieser Diekmann Sport macht, sondern weil er quasi alle schlechten Eigenschaften der gesamten Menschheit in sich vereint und das mit seinen penetranten Selfies auch noch nach außen trägt. Zu viel Sport, zu viel Bart, zu viel wichtig, zu viel Profilneurose, zu viel Opportunismus, zu viel auf Kosten anderer, zu viel von allem. Natürlich steckt er auch hinter der penetranten Medienkampagne des reptiloiden Virologen Streeck. Schauen Sie bei dem doch mal die Narbe an seinem Hals. Da ist die künstliche Menschenhaut gerissen, und drunter lugt in zaghaftem Grün die Schuppenhaut hervor.

Den Sport haben sie also verboten, zumindest den zum zusammen selber machen, und manche würden gerne noch viel weiter gehen und zum Sport den Spot gleich mitverbieten. Den Spot der Bundesregierung, produziert von Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf beziehungsweise der mit den beiden assoziierten Produktionsfirma, in dem der alte Lehmann erzählt, wie er mit den anderen Jungs zum Helden wurde, weil sie zu Hause auf dem Sofa gechillt und Chips gefressen haben statt rauszugehen und Party zu machen. Verbieten wollen etliche Leute diesen Spot, weil sie sagen, hier werde ungesundes Essen glorifiziert, dabei sei es doch viel wichtiger, sich gesund zu ernähren und draußen Sport zu machen als daheim auf dem Sofa rumzuliegen. Außerdem ginge es in dem Spot nur um die Freizeit, dabei könnten drei Viertel aller Werktätigen ihre Kontakte überhaupt nicht so einschränken, weil sie die eben bei der Arbeit haben müssten, nix Home Office, nix chillen. Ich meine: Natürlich haben die recht. Natürlich ist gesunde Ernährung gesünder. Und natürlich können nicht alle so auf dem Sofa rumlungern.

Dass es bei allem Elend fast schon wieder lustig ist, dass man eben durch Nichtstun zum Helden wird, dass eigentlich sinnloses Nichtstun plötzlich einen Sinn erhält – so etwas will nicht verstanden werden. Der englische Journalist Henry Mance kommentierte die Aufregung um den Spot auf seinem Twitter-Kanal übrigens so: "Ich kann damit umgehen, dass die deutsche Antwort auf die Pandemie besser ist als unsere, aber ich glaube, ich kann nicht damit umgehen, dass sie lustiger ist." Bei uns können viele weder mit dem "besser" noch mit dem "lustiger" umgehen, was nicht weiter verwunderlich ist, wo doch an allen Ecken und Enden Leute sitzen, die mit der ihnen anvertrauten Materie nicht umgehen können. Womit wir beim Fußball wären.

Über Deutschlands höchste Spielklasse, möglicherweise der Deutschen liebstes Kind, zu schreiben ist dieser Tage eher schwierig, wenn der Text in einer Wochenzeitung erscheint. Denn vor lauter Pandemie kann wohl keiner wissen, ob die Jungs zum Zeitpunkt des Erscheinens überhaupt noch kicken dürfen. Da hat bislang zwar ein geradezu haarsträubendes Herumlavieren um positiv getestete Spieler stattgefunden, die mit ihren Mannschaftskameraden trainiert und gespielt haben, mit ihnen im Bus und beim Essen saßen – die aber, oh Wunder, nicht mit dem Rest der Truppe in Kontakt waren, weshalb ebendieser Rest durchaus ganz normal weiterkicken könne. Und irgendwie scheint die Devise zu sein, dass so lange weiter gekickt wird, wie noch genug negativ getestete Spieler im Kader sind. Bis man dann halt zufällig mal an einen pflichtbewussten Chef beim lokalen Gesundheitsamt kommt, der dem ganzen Treiben per Dekret Einhalt gebietet. Das kann jederzeit passieren, und da ist es geradezu ein glücklicher Umstand, dass letzte Woche die Nationalmannschaft, bis vor Kurzem möglicherweise der Deutschen allerliebstes Kind, von den Spaniern dermaßen hergespielt wurde, dass 80 Millionen Bundestrainer fast unisono den Kopf desselben forderten, ohne freilich überzeugende Vorschläge zu unterbreiten, wer es denn statt des Herrn Löw machen solle.

Somit haben wir es beim Thema Nationalmannschaft gleich mit zwei veritablen Skandalen zu tun. Nämlich erstens damit, dass die Jungs vom Verband, vom DFB, seit Jahren mit dem Finger in der Nase rumsitzen und warten, bis der Heilige Jürgen von Anfield auf dem weißen Rössle angeritten kommt, den Laden auf Vordermann zu bringen. Dass sie deswegen Joachim Löw und Oliver Bierhoff weiter gewähren lassen, obwohl die negative Entwicklung auch für den blindesten Funktionär längst nicht mehr zu übersehen ist. Vergleichbar dieses Gebaren mit dem der deutschen KultusministerInnen beim Thema Schule unter Pandemiebedingungen, nur eben, dass es hier um Fußball geht, um ein Spiel eigentlich, das aber längst derartig kommerzialisiert ist, dass ihm alles Spielerische abgeht.

Der zweite, der größere Skandal, gegen den der erste sich geradezu wie ein Nasenwasser ausnimmt, ist, dass die Nationalmannschaften aller Länder auch Mitte November noch zu Freundschafts- und Nations League Spielen durch die Weltgeschichte jetten, dabei mengenweise positive Tests beziehungsweise infizierte Spieler mitbringen, die das Virus wiederum in den Bundesligaclubs eifrig weiterverbreiten – bloß weil der DFB (wie auch die allermeisten anderen nationalen Fußballverbände) nicht auf die Kohle der UEFA verzichten will. Das ist, zumal angesichts der aktuellen Situation auf der Welt, an Dummheit, Dreistheit und Unverfrorenheit kaum zu toppen.

Es ist einzig und allein unserer unheimlich starken Resilienz zu verdanken, dass wir selbst darin noch etwas Positives entdecken: Denn immerhin hat die "Mannschaft" genannte Nationalmannschaft durch die Klatsche gegen Spanien endlich die Favoritenbürde im Hinblick auf die vielleicht anstehende Europameisterschaft ablegen können. Und wir alle konnten wenigstens kurz mal über was anderes sprechen als über die noch viel dreisteren, dümmeren und unverfroreneren Idioten von den "Querdenkern". Vielen Dank dafür, Jogi.


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