Seltsam, was sich da tut vor unsrer Haustür: In Dresden gehen 35 000 auf die Straße, in Frankreich Millionen. Die Straße gewinnt. Doch noch möchten wir's nicht zugeben: Die Angst hockt uns im Genicke. Etliche Tausend junge Leute kämpfen auf der anderen Seite, aus Duisburg und Lyon, aus Stockholm, aus den Banlieues. Wenn sie im Kampf sterben, interessiert das kaum. Wenn sie überleben, kommen sie zurück zu uns.
Kriege machen die Menschen roh, gewalttägig, krank – sie werden so krank wie der Krieg selbst. Häufig werden die Kämpfer, egal für wen, für was, von wo, zu Hause allein gelassen mit ihren Wunden, wenn sie wieder unter uns sind – so wie die Freiwilligen aller Armeen vorher alleingelassen wurden, in ihren Heimaten, unter uns, in den tristen Vorstädten, auf menschenleerem Land, vernachlässigt und zurückgewiesen, häufig chancenlos, immer ausgegrenzt, benachteiligt, lebenslang verdächtig, verfolgt, diskriminiert. Sie haben die falsche Hautfarbe, Überzeugung, Lebensweise.
Was bringen die Rückkehrer mit, außer einem kranken Leben? Frust, Hass, Enttäuschung, Neid?
Geiz ist geil. Bringen sie Kenntnisse mit, wie man sie in fast allen Armeen der Welt lehrt und lernt? Wie man im Dschungel der Großstadt überlebt?
Wie man eine Bombe bastelt? Wie man Freund und Feind unterscheidet, den Gegner unschädlich macht, wie man richtig quält und foltert?
Bestien.
Dann erinnern wir uns sicherlich auch an die Bestien von Auschwitz, von Katyn und Abu Ghraib, an das Giftgas von Halabdscha, an die möglichen Vorbilder, die Helden: Die Männer der Tiger Force mähten in Vietnam wehrlose Bauern nieder, schnitten ihren Opfern die Ohren ab und enthaupteten Babys: Es waren die Eliteeinheiten des Abendlands.
Wann wird die Bestie wieder zum Menschen?
Das wird dauern. So viel Zeit haben die meisten nicht. Doch spätestens dann, wenn Gerechtigkeit und Solidarität herrschen, Freiheit und Gleichheit.
Dafür lohnt es sich, auf der Straße zu sein.
Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die Anstifter.
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Andi
am 14.01.2015