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Blackbox

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Alles Gute, Gerhard! 70 und sieht aus wie 40! Haare gefärbt, klar, aber irgendwas muss ja bunt sein an Schröder. Dagegen sieht François Hollande alt aus. Verneigen wir uns also vor den großen Männern, die uns einst hoffnungsfroh zuriefen: Retten, dass? Sie starteten in ein Europa des Friedens und der Gerechtigkeit und landeten bei Hartz IV, in Kabul oder im Kosovo. Glück gehabt? Jetzt müssen sie allerdings zusehen, wie die rechten Populisten die Sahne abschöpften. Spätestens die Hannover Messe macht nämlich auch dem letzten Langzeitarbeitslosen klar: Arbeit geht auch ohne ihn. Auf der Messe fiel vor allem ein solarbetriebenes Familienauto ins Auge, das mehr Energie produziert, als es verbraucht. Angela Merkel bekommt für ihre geschlossenen Augen Tulpen aus Amsterdam und küsst den computergesteuerten Maschinen die blanken Füße. Sie weiß: Im Gegensatz zu den Leuten werden Maschinen und Bauteile immer intelligenter. Sie organisieren sich selbst, während die Gewerkschaften eher stagnieren, und sie reden so miteinander per Mikrochip, dass ich mich frage: Wann wird man je verstehn? Technik hin oder her: Die Blackbox piepst nicht mehr, die Batterien machen bei längeren Abstürzen nicht mehr mit.

Viele der Langzeitarbeitslosen (und ihnen sozial Gleichgestellte) fragen sich, wie lange ihre Blackbox noch piepst, wo ihre Blumen sind, ihre Mütterrente, ihr Dank des Vaterlands. Ja, wo sind sie geblieben? Die Blümchen welken, von den roten Nelken am 1. Mai mal ganz abgesehen, die sind aus Plastik. Zwischen Holland (rechts oben auf der Speisekarte der Neoliberalen) und Ungarn, rechts unten, gibt es etwas, was die neuen Männer Europas, auch wenn sie Marine Le Pen heißen, eint: ein zuckersüßer Populismus. Es ist eine wirkungsvolle Waffe und das heimliche oder offene Versprechen, dass alles gut wird, wenn die Zigeuner weg sind oder die Türken, die Jugos, die Russen, Ukrainer, die Neger, die Schwulen, die Juden, die Linken – also alle, die sich tagsüber nicht grün sind. Das versteht auch der aussortierte Langzeitarbeitslose – er hat ja schließlich nicht umsonst studiert.

 

Peter Grohmann ist Kabarettist und Gründer des Bürgerprojekts <link http: www.die-anstifter.de _blank>Die Anstifter. 


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4 Kommentare verfügbar

  • Tillupp
    am 11.04.2014
    Antworten
    @kritkakons, 10.04.2014 22:07
    Hallo geht's noch. Der Kommentar passt erstens nicht wirklich zum obigen Artikel, kann aber trotzdem nicht unwidersprochen bleiben. Was Orban in Ungarn macht ist nicht mit sozialistischem Kram aufräumen, sondern Diskriminierung von Minderheiten, Einschränkung der…
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