KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Schmierereien in Bad Herrenalb

Brutales Online-Netzwerk im Visier

Schmierereien in Bad Herrenalb: Brutales Online-Netzwerk im Visier
|

Datum:

Als im Frühjahr 2025 merkwürdige Graffiti in Bad Herrenalb auftauchten, stuften die Behörden die als Sachbeschädigung ein. Kontext recherchierte, dass die Schriftzüge Hinweise auf ein nihilistisches Online-Netzwerk liefern. Mittlerweile ermittelt das Cybercrime-Zentrum Baden-Württemberg.

Bad Herrenalb ist ein Kurstädtchen im Nordschwarzwald mit Anbindung an den Karlsruher Nahverkehr. Zwischen waldigen Hügeln liegend ist es bestens geeignet, um zu wandern. Auf etwa 7.700 Einwohnende kommen drei Männergesangsvereine. Doch ganz so idyllisch ist der Ort nicht. Im Februar 2025 tauchten auf der Klostermauer, einem Privatauto und einem Jugendbus in schwarzer und roter Sprühfarbe Schmierereien auf. Das Ganze passierte schon zum zweiten Mal. So richtig schlau wurde niemand aus den Schriftzügen, aber da Hakenkreuze und Terror zu lesen ist, wurde tendenziell von einem rechten Hintergrund ausgegangen.

Eine Kontext-Recherche konnte offenlegen, dass es sich beim Schriftzug "Kill all mundane" (Töte alles Alltägliche/Profane) um das Motto von NLM, kurz für No Lives Matter, einem nihilistischen Online-Terrornetzwerk handelt. Viele der weiteren Schriftzüge, die in Bad Herrenalb zu sehen waren, wie "convert", "ven" und "terror" sind Online-Usernamen in diesen Chatgruppen. Die zuständigen Ermittlungsbehörden wussten zu diesem Zeitpunkt nichts von dem Online-Netzwerk.

Ausgabe 743 vom 25.06.2025

Die Welt zerstören als Ziel

Von Fides Schopp

Es klingt unglaublich, fast wie ein Serienplot. In einem Kurort im Nordschwarzwald sind Schmierereien aufgetaucht, die auf ein Terrornetzwerk hindeuten. Das Erschreckende: Das Landesamt für Verfassungsschutz weiß von nichts.

Beitrag lesen

Ursprünglich stammt NLM aus dem international agierenden Online-Netzwerk namens The Com, kurz für Community. Das Com-Netzwerk hat viele Untergruppen hervorgebracht, die für unterschiedliche gewaltverherrlichende und kriminelle Richtungen stehen, eine der bekanntesten ist die Gruppe "764". Deren Mitglieder sprechen Kinder und Jugendliche online an und wollen sie dazu bringen, Gewalt bis hin zur Selbsttötung durchzuführen.

Anfang November verkündete die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, dass sie einen 16-Jährigen aus Baden-Württemberg festgenommen habe. Ihm wird vorgeworfen, dass er Kinder auf Online-Spiele-Plattformen angesprochen und zu selbstverletzenden Taten gedrängt haben soll. Auf Kontext-Anfrage erklärte die mit solchen Fällen betraute Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom Cybercrime-Zentrum Baden-Württemberg, dass diese Verhaftung nichts mit den Graffiti in Bad Herrenalb zu tun habe. Das scheint schlüssig, denn in Bad Herrenalb ist eine weitere Gruppe aktiv. No Lives Matter hat eine andere Ausrichtung in ihrem sadistischen Nihilismus. Die Mitglieder in dieser Gruppe möchten die Gewalt auf die Straße tragen. In Manifesten wird der Tod verherrlicht und das Ziel, die Menschheit mit Gewalt auszulöschen.

Im Juli wurde in den Niederlanden ein 24-Jähriger verhaftet, der unter dem Usernamen "Cxrpse" eine führende Rolle in den No-Lives-Matter-Gruppen innehaben soll. Mitte Dezember hat ein Teenager in Russland einen Wachmann einer Schule angegriffen und anschließend einen Zehnjährigen erstochen. Er trug dabei ein T-Shirt, auf dem No Lives Matter stand, und eine Schutzweste mit einer schwarzen Sonne darauf, die als extrem rechtes Symbol gilt. Mittlerweile sind die Graffiti in Bad Herrenalb immerhin im Blick der Ermittlungsbehörden und Gegenstand eines Verfahrens.

Wir brauchen Sie!

Kontext steht seit 2011 für kritischen und vor allem unabhängigen Journalismus – damit sind wir eines der ältesten werbefreien und gemeinnützigen Non-Profit-Medien in Deutschland. Unsere Redaktion lebt maßgeblich von Spenden und freiwilliger finanzieller Unterstützung unserer Community. Wir wollen keine Paywall oder sonst ein Modell der bezahlten Mitgliedschaft, stattdessen gibt es jeden Mittwoch eine neue Ausgabe unserer Zeitung frei im Netz zu lesen. Weil wir unabhängigen Journalismus für ein wichtiges demokratisches Gut halten, das allen Menschen gleichermaßen zugänglich sein sollte – auch denen, die nur wenig Geld zur Verfügung haben. Eine solidarische Finanzierung unserer Arbeit ermöglichen derzeit 2.500 Spender:innen, die uns regelmäßig unterstützen. Wir laden Sie herzlich ein, dazuzugehören! Schon mit 10 Euro im Monat sind Sie dabei. Gerne können Sie auch einmalig spenden.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


0 Kommentare verfügbar

Schreiben Sie den ersten Kommentar!

Kommentare anzeigen  

Write new comment

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!