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Russischer Motorradclub

Party der Putinrocker

Russischer Motorradclub: Party der Putinrocker
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Nachtwölfe MC Germania – so heißt der deutsche Ableger des putintreuen Motorradclubs aus Russland. An einem See im Taubertal hat er am vergangenen Wochenende eine Sommerparty gefeiert.

Ein unscheinbarer Zettel, der an einer geöffneten Schranke klebt, weist Eingeweihten den Weg. Das Ziel: der Aschbachsee, ein Badesee im ländlichen Idyll der Stadt Niederstetten in Baden-Württemberg. Auf dem Gelände parken vom 6. bis 8. Juni etliche Autos und Motorräder. Fahrzeuge tragen Kennzeichen aus der Region, aus Bad Mergentheim, Crailsheim und Künzelsau. Die meisten kommen aus der Ferne, aus Eilenburg, Vechta und Waldshut, einzelne aus dem Ausland. Zum Beispiel aus Österreich und der Schweiz.

Auf dem Zettel ist ein roter Kopf eines bissigen Wolfes zu sehen. Es ist das Symbol der Nachtwölfe, eines berüchtigten Motorradclubs aus Russland. Der Club wurde 1989 in Moskau gegründet. Seine Mitglieder sind christlich orthodox und nationalistisch, sie propagieren ein großrussisches Reich – und Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine. 2022 setzte die EU den Motorradclub und seinen Anführer und Gründer, Alexander Saldostanow, auf ihre Sanktionsliste. Damit wird Saldostanow, der einige Jahre in Deutschland lebte, die Einreise verboten. Der EU-Ministerrat schrieb, er sei ein "wichtiger Unterstützer der russischen Regierung" und pflege "enge Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin".

"Hüter der Geschichte"

Seit einem Jahrzehnt fahren Nachtwölfe mit ihren Motorrädern von Russland nach Deutschland, um an die sowjetischen Gefallenen im sogenannten Großen Vaterländischen Krieg (so nannten die Sowjets den Zweiten Weltkrieg) zu erinnern. Am 9. Mai, der nach Moskauer Zeit den "Tag des Sieges" markiert, treffen sie sich am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park in Berlin.

Anfang Mai dieses Jahres kündigte Saldostanow im russischen Staatsfernsehen "Russia Today" (RT) an: "Die Nachtwölfe werden in Deutschland sein." Gegenüber RT erklärte ein weiteres Mitglied, das aus Deutschland stammt und nach Russland gezogen ist, der Motorradclub sei mit den Gedenkfahrten ein "Hüter der Geschichte". Der selbsternannte "Info-Terrorist" behauptete, deutsche Medien wollten mit ihrer Berichterstattung "Russophobie" schüren, die Nachtwölfe aber würden die Fahrten fortsetzen, "um den Frieden und die Freundschaft zwischen den Völkern zu bewahren". Wie zynisch – in Anbetracht der russischen Kriegsführung.

"Präsident" mit Waffen

Auch Deutsche nahmen an der diesjährigen Fahrt teil. Ein deutsches Chapter – der Nachtwölfe MC Germania – wurde Anfang 2023 gegründet. Im Netz posiert Denis Naletow, der "Präsident" des Chapters, mit einem Shirt der Nachtwölfe und mehreren Langwaffen. Der Nachtwölfe MC Germania hat Sektionen in Deutschland gebildet, eine ist in Bad Mergentheim. In der Stadt mit 24.000 Einwohner:innen traf sich der Motorradclub im vergangenen Jahr auf einem Campingplatz zur Sommerparty. Mehrere Nachtwölfe geben in den sozialen Netzwerken an, in der Kurstadt im Taubertal zu wohnen. Mit Dirk K. nahm ein mutmaßlicher Kopf der Bad Mergentheimer Sektion an der Fahrt nach Berlin teil. Auf Fotos, die der Motorradclub im Netz verbreitete, ist K. mit etlichen Teilnehmer:innen der Fahrt zu sehen, die meisten tragen schwarze Kutten mit den Logos und Schriftzügen der Nachtwölfe.

Am Aschbachsee taucht zudem immer wieder die russische Flagge auf, auf Buttons, auf Shirts. Man schwört Putins Russland die Treue, getarnt wird die Loyalität mit scheinbar harmlosem Patriotismus.

Fotos und Videos, die Kontext vorliegen, zeigen Dirk K. mit Kutte und einem Mikrofon in der Hand. Am Nachmittag des 7. Juni sagt er: "Die russischen Nachtwölfe sind gar nicht so böse, wie die Medien schreiben."

Brigade mit Kriegsverbrechern

Aber der Schein eines harmlosen Motorradclubs trügt. Denn Teilnehmer:innen der Party machen keinen Hehl aus ihrer Gesinnung. So parkt ein Bus mit einem Heckaufkleber der "Internationalen Brigade Pyatnashka" auf dem Gelände der Veranstaltung.

Der Bus ist aus dem Thüringer Landkreis Gotha angereist. 2014, nachdem Russland die ukrainische Krim annektiert hatte, schlossen sich 15 Freiwillige zur Brigade zusammen, um die Besetzung des Donbass in der Ostukraine voranzutreiben. Sie war im Laufe der Jahre in etliche Kampfhandlungen verwickelt. Ihr wird vorgeworfen, Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Inzwischen soll die Brigade deutlich gewachsen zu sein um britische, chinesische, serbische Kämpfer:innen. Ob sich auch Deutsche beteiligen, ist unklar. Der Heckaufkleber legt eine Verbindung nach Deutschland zumindest nahe. Auch, weil daneben ein Aufkleber prangt, der eine deutsch-russische Flagge zeigt.

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