Wo ist für Sie die Trennlinie zwischen konservativ und rechtsextrem?
Die Parteien, die ich früher für solide Konservative gehalten habe – dazu gehörten auch die CDU und bei uns in Österreich die ÖVP –, sind so weit nach rechts gerückt, dass man sie heute mit Fug und Recht fast auch zu den Rechtsextremen rechnen muss. Das ist sehr bitter. Und diese Anfrage an den Bundestag zeigt doch, dass man offensichtlich seine Sorgen um die Demokratie nicht laut aussprechen kann. Und dass man besser dafür nicht auf die Straße geht. Wir wenden uns gegen die, die die Demokratie zu unterwandern versuchen. Im Gegenzug sollen wir nicht nur an den Rand gedrängt, sondern auch noch als Gefahr dargestellt werden. Das darf nicht gelingen.
Heißt das, dass sich die Wahrnehmung der Omas gegen rechts seit ihrer Gründung 2017 verändert hat?
Gegründet hat uns Monika Salzer in Wien, als die erste türkis-blaue Bundesregierung angelobt wurde, als also der ÖVP-Vorsitzende Sebastian Kurz die FPÖ an seine Seite geholt hat. Und als diese neue türkise ÖVP sich extrem aus der Mitte verabschiedet hat. So sind die Omas entstanden. Wir wollten zeigen, dass wir eine gewisse Lebenserfahrung haben. Unsere Eltern wurden noch durch den Zweiten Weltkrieg traumatisiert. Und wir wollten dafür aufstehen, dass unsere Kinder und Enkelkinder in einem demokratischen, gerechten, sozialen und toleranten Land leben. Und nicht in einem Land, in dem die demokratischen Werte zunehmend ausgehöhlt werden. Es tut mir leid, dass dieser Gründung in den vergangenen sieben Jahren ein noch ganz anderes Gewicht verliehen worden ist, dass wir so wichtig geworden sind. Ich hätte mir das übrigens auch nicht gedacht, dass es so weit kommt.
Inwiefern?
Als ich jung war, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass wir im Alter nochmals in einer Situation sind, für die Demokratie auf die Straße gehen zu müssen. Wir haben alle unterschätzt, wie zerbrechlich und fragil das demokratische Gleichgewicht ist. Das war unser aller Schuld, die Schuld meiner Generation. Jetzt zeigen uns die USA, die wir immer alle als den Inbegriff der Demokratie betrachtet haben, wie schnell es gehen kann.
Nur der Vollständigkeit halber: Bekommen die Omas gegen rechts Geld vom Staat?
Nein. Wir kriegen Spenden und haben insgesamt in Österreich über tausend Mitglieder, und die zahlen Mitgliedsbeiträge.
Bevor wir über die USA und Russland reden, bleiben wir noch in Wien. Sie veranstalten tägliche Mahnwachen. Wie sind die Erfahrungen?
Das ist wirklich sehr interessant. Seit fünf Jahren machen wir Mahnwachen von Montag bis Freitag, von 10 bis 14 Uhr, für Menschen auf der Flucht. Die Erfahrungen sind gemischt, aber es gibt sehr viel positiven Zuspruch. Natürlich kommen auch Leute, die sagen, na, habt ihr schon Ausländer aufgenommen, oder die uns für blöd halten oder behaupten, das Boot ist voll. Das alles bekommen wir zu hören. Es gibt aber sehr positive Reaktionen, interessanterweise vor allem von sehr jungen Menschen.
In der Bundesrepublik wurde die Formulierung "österreichische Verhältnisse" seit ein paar Wochen als Synonym für einen Rechtsruck benutzt, vor dem man sich fürchten muss. Jetzt, seit ein paar Tagen, sind österreichische Verhältnisse mit einem Mal positiver besetzt, als Beleg dafür, dass Kompromisse doch noch möglich sind. Wie schauen Sie auf die neue Drei-Parteien-Bundesregierung in Wien?
Natürlich sind wir auf der einen Seite alle froh, dass wir keinen rechtsextremen Bundeskanzler Herbert Kickl bekommen haben. Das hätte uns international nur geschadet. Ich bin froh, dass diese Drei-Parteien-Koalition zustande gekommen ist. Meine Sorge ist auf der anderen Seite aber, dass sie sich plötzlich doch wieder zerstreiten. Und das wäre sehr schlimm, denn dann droht erst recht der Rechtsruck.
13 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
vor 2 WochenEs titelt "Der Stuttgarter Ältestenrat" am 18. Mai 2019
Maul halten und bloß nichts fragen? – oder: der alltägliche Rassismus
_Auszug Kommentar 20. Mai._
https://c.gmx.net/@334629611663006158/1pg4wy_…