Nach fünf Verhandlungstagen erklärte der Staatsanwalt Michael Hager, er gehe davon aus, dass Ante P. an plötzlichem Herzversagen gestorben sei, die Polizeigewalt sei zwar in Teilen unverhältnismäßig, aber nicht todesursächlich.
Selten war das empörte Gemurmel im Saal 1 des Mannheimer Landgerichts so laut und anhaltend. An allen Tagen waren die Zuschauerreihen in dem fensterlosen, stickigen Sitzungssaal fast vollständig besetzt. Vor allem Familien und Kolleg:innen der Angeklagten waren gekommen sowie Menschen der Initiative 2. Mai, die den Prozess kritisch begleiteten.
Staatsanwalt Hager weicht in seinem Schlussvortrag deutlich von seiner ursprünglichen Anklage ab. Der Polizeihauptmeister Z. soll freigesprochen werden, der Oberkommissar J. eine Freiheitsstrafe für sechs Monate auf Bewährung erhalten. Das würde bedeuten, dass beide Polizisten im Dienst bleiben können.
Der 47-jährige Ante P. befand sich an jenem 2. Mai vor zwei Jahren in einer psychischen Ausnahmesituation und sollte stationär ins nahegelegene Zentralinstitut für seelische Gesundheit eingewiesen werden. Nachdem er sich von dort entfernte, bat sein behandelnder Arzt die Polizei der Innenstadtwache um Hilfe. Laut eigener Aussage forderte er die Beamten zur fürsorglichen Zurückhaltung auf. Er sah zwar Gefahr für eine Eigengefährdung für Ante P. gegeben, den er schon eine Weile behandelte, darüber hinaus beschrieb er seinen Patienten als nicht aggressiv. Trotzdem begann ab diesem Zeitpunkt die Situation zu eskalieren, denn Ante P. konnte in seinem psychischen Zustand den Anweisungen der Polizisten nicht mehr folgen und lief Richtung Marktplatz davon. Daraufhin setzte Polizist J. Pfefferspray ein, zu zweit brachten sie kurz darauf Ante P. zu Boden. Es folgten vier Schläge auf Ante P.s Kopf. Das Ganze spielte sich in belebter Umgebung und in unmittelbarer Nähe zu gut besuchten Straßencafés ab, so dass viele Menschen unfreiwillig Zeug:innen des Vorfalls wurden.
Zu Beginn der Verhandlung hatte Staatsanwalt Michael Hager Anklage gegen die beiden Beamten erhoben wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung sowie Körperverletzung im Amt mit Todesfolge und wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen. Grundlage dafür war das Gutachten der Rechtsmedizin Heidelberg. Doch mittlerweile bezieht er seine Strafmaßforderungen auf die Aussagen von zwei zusätzlichen rechtsmedizinischen Sachverständigen. Sie waren von der Verteidigung der beiden Polizisten beauftragt worden: Peter Betz, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Uni Erlangen, sowie die unabhängige Rechtsmedizinerin Kirsten Marion Stein. Vor allem das Fazit von Betz, der ein plötzliches Herzversagen als Todesursache für am wahrscheinlichsten hält, befindet der Staatsanwalt für plausibel. Wobei Betz die äußeren Umstände des Polizeieinsatzes nicht berücksichtigt. Woher beispielsweise das Blut in Ante Ps. Atemwegen kam, interessiert ihn in seiner Analyse nicht.
Gutachter:innen streiten über Todesursache
Kerstin Yen, Institutsdirektorin der Rechtsmedizin Heidelberg, betonte in ihren Ausführungen mehrmals, dass man immer die gesamten Fallumstände betrachten müsse. Deshalb kommt sie zu dem Schluss, dass die Todesursache von Ante P. der durch den Polizeieinsatz ausgelöste Stress und ein lagebestimmter Erstickungstod war. Dieser wurde ausgelöst durch mit Blut verstopfte Atemwege und eine ungünstige, die Atemwege zusätzlich eindrückende, Bauchlage die durch auf dem Rücken fixierte Hände verstärkt wurde.
Was sich durch den Prozess gut erkennen lässt, ist, dass rechtsmedizinische Gutachten immer einen Interpretationsspielraum bieten, denn es können selten exakte Aussagen getroffen werden. Ein Beispiel: Auf gezeigtem Videomaterial sieht man Ante P., wie er auf dem Bauch liegend unkoordiniert mit den Armen rudert und laut "Richter!, Richter!" ruft. Danach bleibt er regungslos liegen. Während Rechtsmedizinerin Stein von einem "massiven Wehren" spricht, interpretiert Yen das Geschehen als "Panik" und "Todeskampf".
Sowohl die Anwält:innen der Polizisten als auch die Anwälte der Nebenklägerinnen, Mutter und Schwester von Ante P., hatten gegen die Sachverständigen der jeweils anderen Seite Befangenheitsanträge gestellt.
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