Über Zerbrechendes weiß auch Alon Bindes zu berichten. Es gäbe viele in seinem Umfeld, "die ihren Freundeskreis komplett ausmisten mussten, weil die Leute scheinbar doch gegen einen sind." Er selber habe in dieser Hinsicht aber noch sehr viel Glück gehabt.
Bindes verstört, wie in aktivistischen und akademischen Kreisen oft einfach Slogans aufgegriffen werden, die Propaganda der Hamas und damit einer islamistischen, alle zivilisatorischen Werte negierenden Terrororganisation sind. Den Hamas-Terror als Befreiungskampf zu romantisierten, wie es in linken Milieus teils passiere, das gehe im Grunde gegen die eigene Identität, "das ist, als würde man Al-Kaida- oder IS-Propaganda wiederholen", sagt Bindes. "Faszinierend im negativen Sinne" findet er, dass manche "linken Gruppen mit den gleichen Leuten auf die Straße gehen, die sie ohne nachzudenken selber umbringen würden".
Schon vor dem Terror: mehr antisemitische Straftaten
Was wünscht sich Bindes von der Politik? Vor allem ein härteres Einschreiten gegen Antisemitismus auf verschiedenen Ebenen. "Angefangen bei Kundgebungen, die klar antisemitisch sind, auf denen auch Leute mit Al-Kaida-Fahnen sind." Da sei zu wenig gemacht worden, "die könnte man einfach verbieten." Dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am 2. November ein Betätigungsverbot der Hamas verhängt und das palästinensische Netzwerk Samidou in Deutschland verboten habe, sei schon ein richtiger Schritt.
Härteres Vorgehen wünscht er sich auch im Bereich Social Media. "Dort findet sich ungeheuer viel Propaganda, mit falschen Informationen, hetzerischen Inhalten." Dagegen müsse strafrechtlich vorgegangen werden, auch gegen die Betreiber von Plattformen wie X/Twitter, Instagram oder Facebook. Dass das bislang auch in anderen Kontexten nicht wirklich geklappt hat, weiß er auch. Aber trotzdem müsse die Politik versuchen durchzusetzen, "dass bestimmte Inhalte gar nicht erst hochgeladen oder sofort runtergenommen werden".
Baden-Württemberg schon jetzt als sehr wehrhaft darzustellen, bemüht sich Landesjustizministerin Marion Gentges (CDU) bei der Kulturwochen-Eröffnung am Montag: Im Land habe es schon vor dem 7. Oktober, zwischen 2019 und 2022, einen Anstieg antisemitischer Straftaten um 84 Prozent gegeben. Zugleich hätte sich aber die Zahl der Verurteilungen verdreifacht. Und jetzt am 10. November finde eine Konferenz der Justizminister:innen statt, auf der man auch über rechtliche Verschärfungen sprechen werde. "Die Leugnung des Existenzrechts Israels ist aktuell noch keine Straftat", so Gentges. "Wir werden sehen, ob man das ändert."
Doch hilft allein Law and Order gegen Antisemitismus? Oder besteht hier teils auch die Gefahr, übers Ziel hinauszuschießen, etwa wenn im großen Stil Demos präventiv verboten werden?
Nicht allein schärferes strafrechtliches Vorgehen wünscht sich Alon Bindes. Um Antisemitismus zu bekämpfen, um für die Funktionsweise von Propaganda zu sensibilisieren und das Wissen über Israel zu verbreitern, müsse es mehr Bildungsarbeit geben, an Schulen und in anderen Einrichtungen. Dass ausgerechnet jetzt der Etat der Bundeszentrale für politische Bildung um 20 Prozent gekürzt werden soll, findet er "natürlich schrecklich. Es sollte genau umgekehrt sein."
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Otmar Ihl
am 11.11.2023Mein Mitgefühl, soweit das geht, gilt den Opfern des Anschlag der…