Ja, schon klar, alles Quatsch. Ist nie passiert. Aber warum eigentlich nicht? Warum so still an der "Friede-Freiheit-Keine-Diktatur"-Front? Über zwei Jahre lang verging fast keine Woche, ohne dass selbsternannte "Widerstandskämpfer" gegen die "Plandemie" auf die Straße gingen. Um gegen das "Merkel-Regime" zu demonstrieren, das eine Pandemie nur fingiert habe, um die Menschen im Sozialismus zu unterjochen. Jetzt ist die Pandemie vorbei, Merkel weg – und Kapitalismus und seine Auswirkungen stärker denn je. Gefreut wird sich auf der Seite der "Corona-Rebellen" trotzdem nicht. Längst haben die Online-Kanäle, auf denen bis vor einem Jahr noch Corona-Diktatur-Widerstand gespielt wurde, ihre Themen gewechselt: Bedrohung durch Flüchtlinge, Bedrohung durch Gender-Gaga, Bedrohung durch Lügenpresse – gemixt mit AfD-Werbung und russischer Kriegspropaganda. Auf den selben Plattformen, auf denen gegen Impfen, Masken und Hygiene-Regeln mobil gemacht wurde, wird jetzt zu Demos gegen "den zwangsfinanzierten ÖRR" aufgerufen oder zu "Spaziergängen" an der JVA in Stammheim. Dort sitzt "Querdenken"-Gründer Michael Ballweg seit einem halben in Untersuchungshaft wegen des Verdachts auf Geldwäsche.
Die zahlreichen Prozesse, die den Ballwegs, Heinrich Fiechtners oder Oliver Janichs der "Querdenken"- und rechter Schwurbelszene wegen Volksverhetzung, Beleidigung, versuchter Geldwäsche und vieler anderer Straftaten gemacht werden, haben dazu geführt, dass sie und ihre treuen UnterstützerInnen sich bestätigt fühlen: Ballweg gilt im "Querdenken"-Milieu als deutscher Julian Assange und "politischer Gefangener".
Der rechte Ex-AfD-Landtagsabgeordnete Heinrich Fiechtner inszeniert sich während der aktuell laufenden Verhandlung vor dem Stuttgarter Amtsgericht in Telegram-Videos als Opfer eines "dem Totalitarismus immer mehr zugeneigten Staatsgebildes": wegen eines von ihm nicht akzeptierten Strafbefehls und einer Geldstrafe über 38.000 Euro. Ihm werden unter anderem Beleidigung, Verstöße bei Versammlungen und die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorgeworfen, außerdem soll er in seiner Zeit als Stadtrat in Stuttgart vertrauliche Unterlagen mitgenommen haben. Fiechtner spricht von "Gesinnungsjustiz".
Was bleibt Menschen wie ihm, Ballweg und all den anderen gescheiterten "Widerstands"-Figuren auch anderes übrig, um ihre Fans und Follower weiter bei Stange zu halten? Käme die Einsicht, jahrelang einen Irrweg beschritten zu haben doch der Zerstörung eines Weltbildes gleich, das die Auflösung des Selbstbildes zur Folge hätte.
Das Geplärre narzisstisch gekränkter Chef-Schwurbler wird zwar auch im Jahr 2023 durch Telegram hallen und auf vereinzelten Kleinst-Demos durch Megaphone verstärkt werden. Doch mehr als 150 Leute ziehen Ballweg-Soli-Demos nicht mehr hinterm Ofen vor und seriöse Medien haben sich an effekthascherischen Berichten aus dem wahnwitzigen Querdenken-Zirkus satt berichtet. Jetzt folgt die nüchterne Realität aus dem Justiz-Alltag, die auf Plattformen wie etwa dem "Volksverpetzer" nur noch Randnotizen auf der "Urteil-der-Woche"-Sammelseite sind. Gibt ja auch Wichtigeres zu berichten.
6 Kommentare verfügbar
Ted T.
am 21.01.2023Schätze manche Menschen waren uns schon vor zwei Jahren voraus. ;)
Die vermeintlich "rechten" Querdenker sind für deine Rechte auf die Straße gegangen…