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Knappe Flächen in Karlsruhe

Neues Kulturzentrum bringt Streit

Knappe Flächen in Karlsruhe: Neues Kulturzentrum bringt Streit
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Über 400 Musiker:innen in Karlsruhe verlieren durch die Bauprojekte einer Firma ihre Proberäume. Ein betroffener Verein hat jetzt mit viel Glück ein neues Areal gefunden. Doch die Nachbarschaft könnte den Plan noch ins Wanken bringen.

Mit der Knappheit beginnen die Konflikte. In den Großstädten sind freie Flächen ein zunehmend rares Gut. Da dies auch die Wirtschaft betrifft, beschloss der Karlsruher Gemeinderat in diesem Jahr, dass freie Flächen vorrangig dem Gewerbe und nur in Ausnahmefällen für Kultur oder Soziales zur Verfügung stehen sollen. Entsprechend schwer ist es für Kulturschaffende, Rettungsdienste oder soziale Einrichtungen mit ihren begrenzten finanziellen Ressourcen noch einen Platz in der Stadt zu finden. Das spüren derzeit vor allem Musiker:innen. Über 400 von ihnen verlieren ihre Proberäume.

Einer, der mit seinem Verein Bandprojekt seit Jahren Proberäume bereitstellt, ist Klaus Bluck. Im Sommer musste er mit 140 Musiker:innen seine Halle in der Karlsruher Nordstadt verlassen. Nach dutzenden Absagen fand er schließlich die ehemalige Molkereizentrale Südwest, die zum "Kulturzentrum West" umgebaut werden soll. Einst war dort das Notlager für Butter für den gesamten Süden der Republik beherbergt. Jetzt sollen 30 Proberäume, Ateliers sowie Flächen zur Kunstförderung und für Veranstaltungen entstehen. Aber die uneingeschränkte Freude von Bluck währte nicht lange. "Eigentlich wollten wir schon vor zwei Monaten mit dem Umbau begonnen haben."

Ausgabe 583, 01.06.2022

Das Gewerbe hat Vorfahrt

Von Florian Kaufmann

Die Städte wachsen. Und damit der Druck auf die zunehmend knappen Flächen. Einkommensschwache Menschen, kulturelle Räume, aber auch Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge finden auf dem überhitzten Immobilienmarkt kaum noch Platz. Derweil vergibt der Karlsruher Gemeinderat exklusive Flächen an die Wirtschaft.

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In der neuen Nachbarschaft hat sich allerdings eine Interessensgemeinschaft gebildet, die sich besonders gegen den geplanten Veranstaltungsbetrieb wehrt. Sie befürchtet Lärmbelästigung, Parkplatzknappheit und mehr Autoverkehr im Wohngebiet. Ohne eigene Veranstaltungen könnten die Proberäume aber nicht finanziert werden, sagt Bluck und sieht keinen Grund zur Sorge. "Die nächsten Wohnhäuser sind fast 300 Meter weg." Das Gebäude mit seinen einstigen Kühlhallen sei ohnehin "gebaut wie ein Bunker". Zudem baue der Vermieter Parkplätze und eine eigene Zufahrt von der Hauptverkehrsstraße.

Sein Auftritt bei einer Bürgerversammlung dürfte indes nicht zur Deeskalation beigetragen haben. Der streitbare Unternehmer, der auch die Stadtverwaltung regelmäßig vor Gericht zieht (mit positivem Ausgang für sich), ging in die Offensive: Käme das Kulturzentrum nicht, würde er an eine Spedition vermieten und LKWs durchs Wohngebiet jagen, drohte er.

Bluck ist trotzdem optimistisch und hofft, dass im Sommer schon die ersten Bands dort proben können. Derzeit prüft das Bauordnungsamt die zahlreichen Einwendungen gegen eine Baugenehmigung. "Der Spielraum für uns wird sicher enger", fürchtet Bluck, der vor allem wegen jetzt schon aufgelaufener Mehrkosten von 60.000 Euro durch die Verzögerung auf eine schnelle Entscheidung hofft. "Wenn wir jetzt noch Monate auf die Baugenehmigung warten müssen, sehe ich schwarz." Denn solche Räume fände die Kulturszene nicht nochmal: "Das ist eine Chance, die in den nächsten 30 Jahren nicht wieder kommt."


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2 Kommentare verfügbar

  • Heiko
    am 07.02.2023
    Antworten
    Dem kann ich als Anwohner nur zustimmen.
    Bin selbst Hobbymusiker und habe nichts gegen Proberäume.
    Allerdings befürchte ich dass sich Herr Bluck mit der Rockinitiative mit Herr Weber eventuell nicht den passenden Partner ausgesucht hat.
    Das starke Interesse daran eigene Grossveranstaltungen…
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