Thomas Nuding hat das Schlauchboot mitgebracht. Aus dem Wasser gefischt irgendwo vor Malta. Wären die Menschen darin gerettet worden, würde dieses Boot das aufgesprühte Zeichen einer Seenotrettungs-Mission zieren, tut es aber nicht. Die Menschen seien wahrscheinlich von der libyschen Küstenwache nach Libyen zurückgebracht worden, "in Folterlager", sagt Nuding, seit mehreren Jahren Kapitän diverser Seenotrettungsschiffe wie der Lifeline oder der Sea-Eye. "Dort wird das letzte Geld aus ihnen herausgepresst, die Menschen werden versklavt und verkauft." Dieses Boot, schwarz-grauer Gummi, war Hoffnung auf ein neues Leben.
Jetzt steht es auf dem Marienplatz in Stuttgart, auf dem am vergangenen Wochenende in zweitägiger Aktion die Seebrücke und andere Initiativen von der alten und neuen Landesregierung ein Landesaufnahmeprogramm forderten, die Schließung der Abschiebehaftanstalt in Pforzheim und ein klares Bekenntnis zur Seenotrettung.
Das Schlauchboot hat Nuding bergen lassen, um es der Welt zu zeigen. Er sei nie ein politischer Mensch gewesen, erzählt er. Als 2016 einer seiner Segelfreunde eine Mail über seinen Einsatz als Seenotretter herumschickte, dachte er noch, das sei prima Abenteuerurlaub für wenig Geld. "Als ich dann auf der Sea-Eye stand, hab ich gemerkt: Abenteuer war gestern. Jetzt ist humanitäre Notwendigkeit angesagt." Und so kam Nuding zu einer Mission, die ihn seitdem nicht mehr loslässt. "Kein Mensch verdient den Ertrinkungstod."
Hunderttausende Katastrophen auf dem Boden der EU
Und er ist nur einer von vielen, die an diesem Seebrücke-Aktionstag in vielen Städten auf die Straße gehen, um vor der Landtagswahl ein Zeichen zu setzen. Aufstehen gegen Rassismus ist da und bietet Stammtisch-Argumentation gegen Populisten an, beim Flüchtlingsrat gibt’s Aufkleber und Infos. Am Stand von Just Human, einer Stuttgarter Organisation, die sich um Geflüchtete aus der LGBT-Community kümmert, gibt es eine Sprachnachricht zu hören von einem schwulen Mann, der aus dem Iran geflohen ist und nun in Griechenland festsitzt. Wegen Corona hat kein Amt geöffnet, sein Asylantrag hängt in der Luft, ohne den gibt es kein Geld, ohne Geld kein Essen, kein Obdach. Der Mann auf dem Band erzählt beschämt, wie er tagsüber im Park sitzt und am Abend für einen Schlafplatz mit fremden Männern mitgeht und hofft, dass sie keinen Sex mit ihm wollen. Das klappe manchmal, manchmal auch nicht, und zu der Ungewissheit, was aus ihm werden wird, gesellt sich die Furcht vor HIV. Katja Walterscheid, die Vorsitzende des Vereins, bringt es auf den Punkt: "Das ist eine Katastrophe." Und nur eine von hunderttausenden, die sich auf dem Boden der EU ereignen. Erst kürzlich hatte das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht entschieden, dass Geflüchtete, die in Griechenland anerkannt sind, momentan nicht dorthin abgeschoben werden dürfen, weil in Griechenland "die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung" drohe.
3 Kommentare verfügbar
SSV Ulm 1846 - aweng asozial, aber immer antifaschistisch!
am 13.03.2021Wählt konservative menschenverachtende Parteien ab!
Wählt fortschrittliche Parteien!
Danke.